Роман «Три мушкетёра» (Die Drei Musketiere) на немецком языке |
Книга «Три мушкетёра» (Die Drei Musketiere) на немецком языке – читать онлайн, автор романа – Александр Дюма. «Три мушкетёра» - один из самых известных романов, которые написал Александр Дюма, и позже автор написал ещё 2 книги в продолжение приключений таких популярных у читателей мушкетёров. Однако продолжение было не таким успешным, в отличие от первого произведения (книга «Три мушкетёра» была переведена на самые распространённые языки мира, а позже были сняты десятки фильмов по сюжету романа). Много других литературных произведений известных писателей всего мира можно читать онлайн в разделе «Книги на немецком» (для детей создан раздел «Сказки на немецком»). Для тех, кто самостоятельно изучает немецкий язык по фильмам, создан раздел «Фильмы на немецком языке» (для детей есть раздел «Мультфильмы на немецком»). Для тех, кто хочет учить немецкий язык не только самостоятельно, но и с преподавателем, есть информация на странице «Немецкий по скайпу».
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Die Drei Musketiere
Die drei Geschenke des Herrn d'Artagnan
Am ersten Aprilmontag des Jahres 1625 schien es im Marktflecken Meung so drunter und drüber zu gehen, als ob über Nacht die Hugenotten gekommen wären, um ein Bollwerk wie La Rochelle daraus zu machen. Zahlreiche Spießbürger hatten, als sie Weiber auf der Flucht durch die Hauptstraße sahen und Kinder auf den Schwellen schreien hörten, nichts Eiligeres zu tun, als sich den Küraß umzuschnallen und sich durch eine Muskete oder Partisane ein gewichtigeres Aussehen zu geben und zum Gasthof Zum Freimüller zu rennen, vor dem sich ein dichter Haufe sammelte, der wild lärmte und sich mit jeder Minute verstärkte. Damals war solche Panik keine Seltenheit, und es verstrich kaum ein Tag, ohne daß in der oder jener Stadt ein solcher Vorfall in der Ortschronik zu verbuchen war. Gab es doch hohe Herren vom Adel, die fortwährend Händel miteinander hatten; lag doch der König in ständiger Fehde mit dem Kardinal, und hatte doch Spanien erst eben wieder Frankreich den Krieg erklärt. An Diebsgesindel und Bettelvolk war kein Mangel, und Hugenotten, Wölfe und Lakaienpack sorgten auch dafür, daß das Land nicht zur Ruhe kam. Die Bürgerschaft schlug sich mit dem Diebsgesindel, den Wölfen und dem Lakaienpack herum, erhob die Waffen zuweilen wider die Herren vom Adel und wider die Hugenotten, nur selten einmal wider den König, niemals aber wider den Kardinal und die Spanier. Aus dieser Gepflogenheit ergab sich demzufolge, daß die Meunger Philister, als sie an besagtem Aprilmontag Spektakel hörten, ohne weder die gelb und rote Standarte, noch die Livree des Herzogs von Richelieu zu sehen, sich eilig nach dem Gasthof Zum Freimüller begaben. Dort konnte ein jeglicher die Ursache dieses Lärmens sehen und kennenlernen, die niemand anders war als ein junger Mensch – ein Don Quichotte von 18 Jahren, ohne Panzer und Beinschienen, aber in einem wollenen Wams, dessen blaue Farbe sich in eine unbestimmbare Schattierung von Weinhefe und Himmelblau verwandelt hatte; mit länglichem, braunem Gesicht, hervorspringenden Backenknochen als Merkmal von Pfiffigkeit, stark entwickelten Kiefern, dem untrüglichen Kennzeichen eines Gascogners, auch wenn er kein mit einer Feder geschmücktes Barett aufhatte. Das war bei dem jungen Mann jedoch der Fall; außerdem hatte er ein offenes, kluges Auge und eine Hakennase, und war von Figur für einen Jüngling zu groß, für einen ausgewachsenen Mann aber zu klein. Wäre nicht der lange Degen gewesen, der ihm am Wehrgehänge baumelte und ihm beim Gehen wider die Waden, beim Reiten wider das Fell seines Gaules schlug, so hätte ihn ein schwach geübtes Auge für einen unterwegs befindlichen Gutspächterssohn gehalten. Unser junger Mann war aber beritten, und sein Gaul hatte ebenfalls ein so merkwürdiges Aussehen, daß er auf den ersten Blick in die Augen fiel: es war nämlich ein Klepper, der wenigstens seine zwölf bis vierzehn Jahre auf dem gelblichen Fell hatte, mit einem Stummel von Schweif ohne Haare, aber mit Beinen voller Schwären; ein Klepper, der beim Laufen den Kopf bis zu den Knien hinunterbaumeln ließ, immerhin aber noch gut und gern seine acht Meilen am Tage machte. Leider aber steckten die trefflichen Eigenschaften dieser Rosinante so tief unter ihrer absonderlichen Haut und hinter ihrem wackligen Trott, daß zu einer Zeit, wo jedermann mit Pferden Bescheid wußte, ihr Auftreten in Meung, kaum daß sie zum Tor herein war, ein so unliebsames Aufsehen machte, daß es nicht ohne Rückwirkung auf den Reiter selbst bleiben konnte. Und für den jungen d'Artagnan – denn so hieß der Don Quichotte dieser wiedererstandenen Rosinante – war dieses Aufsehen um so peinlicher, als er sich über den lächerlichen Anstrich, den ihm als einem so stattlichen Kavalier ein solcher Gaul geben mußte, durchaus nicht im unklaren war. Wußte er doch recht gut, daß ein solcher Gaul unter Brüdern seine zwanzig Livres, wenn auch knapp, wert war, während andrerseits die Worte, die dieses Geschenk begleitet hatten, sich jeglicher Schätzung entzogen... »Mein lieber Sohn«, hatte der gascognische Edelmann gesagt, der des Jünglings Vater war, »dies Pferd hat das Licht der Welt vor nunmehr dreizehn Jahren im Hause deines Vaters erblickt und hat seitdem einen Bestandteil von dessen festem Inventar gebildet: ein Grund also für dich, ihm deine Liebe zu schenken! Verkaufe es niema ls, sondern laß es in Ruhe und Ehren alt werden und zu seinen Vätern eingehen. Ziehst du mit ihm ins Feld, dann gehe rücksichtsvoll mit ihm um wie mit einem greisen Diener. Und wenn du«, sprach Herr d'Artagnan weiter, »einmal die Ehre hast, bei Hofe zu erscheinen – eine Ehre, auf die dir übrigens dein alter Adel ein Anrecht gibt –, dann halte auch du den Namen, der von deinen Ahnen fünfhundert Jahre lang in Ehren geführt worden ist, in Ehren für dich wie für die Deinigen. Darunter verstehe ich nicht allein deine Verwandten, sondern auch deine Bekannten und Freunde. Laß nie etwas auf dir sitzen, außer von seiten des Kardinals und des Königs. Allein durch seinen Mut – verstehe mich recht –, nur durch seinen Mut kann es heute ein Edelmann zu etwas bringen. Wer auch nur eine Sekunde bebt, läßt vielleicht den Köder sich entwischen, den ihm das Glück just während dieser Sekunde hinhielt. Du bist jung und sollst tapfer werden aus zweierlei Gründen: erstens, weil du ein Gascogner, und zweitens, weil du mein Sohn bist. Fürchte nicht die Gelegenheiten und gehe keinem Abenteuer aus dem Wege! Den Degen zu führen, habe ich dich gelehrt; du hast eine Kniebeuge von Eisen und einen Handschuh von Stahl; schlage dich bei jeglichem Anlaß; schlage dich um so eifriger, als der Zweikampf verboten ist und es demgemäß doppelt soviel Mut erheischt, sich zu schlagen. Mehr als fünfzehn Taler kann ich dir nicht mitgeben, lieber Sohn, außer meinem Pferd und den eben vernommenen Ratschlägen. Die Mutter wird dir noch das Rezept zu einer bestimmten Salbe beifügen, das sie von einer Zigeunerin bekommen hat und das die wunderbare Eigenschaft besitzt, jede Wunde zu heilen, außer solchen, die das Herz betreffen. Ziehe aus allem den rechten Nutzen, und lebe glücklich und lange! – Ein Wort noch! Ein Beispiel will ich dir noch vor Augen halten, nicht mein eigenes, denn ich bin niemals bei Hofe gewesen und habe die Religionskriege bloß als Freiwilliger mitgemacht – aber vom Herrn von Tréville laß dir erzählen, der ehedem mein Nachbar war und die Ehre gehabt hat, als kleines Kind mit unserm König Ludwig XIII., den Gott erhalten möge, zu spielen! Hin und wieder geschah es, daß ihre Spiele zu Kämpfen ausarteten, in denen der König nicht immer der Stärkere war. Die Prügel, die der König dann bekam, setzten Herrn von Tréville bei ihm in Respekt und weckten in seinem königlichen Herzen ein Gefühl von Freundschaft für ihn. Herr von Tréville hat sich auf seiner ersten Reise nach Paris fünfmal mit andern duelliert; seit dem Tod des hochseligen Königs bis zur Volljährigkeit des jungen Königs, die Kriege und Belagerungen nicht gerechnet, weitere siebenmal; und von der Volljährigkeit Seiner jetzt regierenden Majestät bis zum heutigen Tage vielleicht hundertmal!... Und heute ist er trotz aller Erlasse, Verordnungen und Verurteilungen Hauptmann der Musketiere. Das ist, mein Sohn, eine Cäsarenlegion, vor der Seine Majestät der König gewaltigen Respekt, und seine Eminenz der Kardinal gewaltige Furcht hat, wie männiglich im Lande weiß. Obendrein bekommt Herr von Tréville im Jahre bare zehntausend Taler, ist also ein hoher Herr. Angefangen hat er wie du; suche ihn mit diesem Schreiben auf und mache es wie er, damit es dir so gut gehe wie ihm!« Damit schnallte der alte Herr d'Artagnan seinem Sohn seinen eigenen Degen um, küßte ihn zärtlich auf beide Wangen und gab ihm seinen Segen. Als der Sohn das väterliche Zimmer verließ, gab die Mutter ihm das berühmte Salbenrezept, das er, wenn er nach den eben gehörten Ratschlägen zu handeln vorhatte, wahrscheinlich sehr oft brauchen muß te. Dieser Abschied wurde länger und zärtlicher als der erste, woraus aber nicht gefolgert werden darf, als ob Herr d'Artagnan keine Liebe zu seinem Sohn, dem einzigen Sprößling aus seiner Ehe, im Herzen getragen hätte: aber er war ein Mann und hätte es fü r seiner unwürdig gehalten, viel Rührung zu zeigen. Frau d'Artagnan dagegen war nicht bloß Frau, sondern in weit höherem Grade noch Mutter und schämte sich demgemäß der Tränen nicht... und zum Lobe des jungen Herrn d'Artagnan muß hier gesagt werden, daß er es zwar an Anstrengungen, fest zu bleiben, wie es sich für einen künftigen Musketier schickte, nicht fehlen ließ, der Natur aber doch nicht standhalten konnte, sondern auch zu weinen anfing, und daß es ihm schwer genug wurde, wenigstens den kleineren Teil seiner Tränen hinunterzuschlucken. Ausgerüstet mit den drei väterlichen Geschenken: den fünfzehn Talern, dem Gaul und dem Brief für Herrn von Tréville, machte sich der junge Mann am nämlichen Tag auf den Weg; die guten Ratschläge waren ihm, wie man begreifen wird, dreingegeben worden. Mit solchem Viatikum stellte also der junge Herr d'Artagnan in moralischer und physischer Hinsicht ein getreues Konterfei des Cervantesschen Helden dar: und während der edle Don Quichotte Windmühlen für Riesen und Schafherden für Armeen hielt, faßte der edle d'Artagnan jedes Lächeln als einen Schimpf und jeden Blick als eine Herausforderung auf. Hieraus folgte, daß er von Tarbes bis Meung die Faust unentwegt geballt hielt und wenigstens zehnmal am Tage damit an den Degenknopf schlug. Indessen fuhr die Faust kein einziges Mal unter eine Kinnlade und der Degen kein einziges Mal aus der Scheide, wiewohl es an spöttischen Blicken auf die Rosinante, die er ritt, wahrlich nicht fehlte. Da aber über ihre Weichen ein Degen von stattlicher Größe herniederhing und über diesem Degen ein Auge, mehr wild als stolz, funkelte, verbissen sich die Passanten das Lachen oder gaben sich, wenn ihre Lachlust ihrer Klugheit ein Schnippchen schlug, alle Mühe, nach Art der Masken des Altertums bloß mit der einen Gesichtsseite zu lachen. – Bis er den Fuß in den unglückseligen Marktflecken Meung setzte, wurde d'Artagnan in seinem hohen Selbstgefühl und seiner heiklen Empfindlichkeit nicht gekränkt. Als er aber am Tor des Freimüllers sich anschickte, von seiner Rosinante zu steigen, ohne daß sich weder Wirt noch Kellner noch Hausknecht sehen ließ, um ihm den Steigbügel zu halten, richtete d'Artagnan den Blick zu einem Fenster des Hauses hinüber und gewahrte dort einen Edelmann von stattlicher Figur und stolzer Haltung, dessen Gesicht aber von einigen Runzeln gefurcht war, im Gespräch begriffen mit zwei Personen, die ihm voll Ehrerbietung zuzuhören schienen. Wie es seinem ganzen Wesen nach nicht anders möglich war, meinte d'Artagnan natürlich, es sei von ihm die Rede und horchte. Diesmal hatte er sich auch nur halb geirrt, denn nicht um ihn, sondern um seine Rosinante drehte sich das Gespräch. Der Edelmann schien seiner Zuhörerschaft sämtliche Eigenschaften des Tieres herzuzählen, und da, wie schon gesagt, alles in Ehrfurcht vor ihm erstarb, erschallte jeden Augenblick eine richtige Lachsalve. Da aber schon ein etwas höhnisch verzogener Mund genügte, um den jungen Mann in Zorn zu setzen, kann man sich denken, welche Wirkung solche maßlose Heiterkeit auf ihn hervorbrachte. Immerhin wollte sich d'Artagnan zunächst über die Physiognomie des ihm unbekannten frechen Menschen klarwerden, der sich derart über ihn lustig machte, und maß ihn mit dem stolzesten seiner Blicke. Da sah er, daß er einen Mann von 40-45 Jahren vor sich hatte, mit schwarzen, durchdringenden Augen, bleichem Teint, scharfgeschnittener Nase, schwarzem, gezwirbeltem Schnurrbart, in veilchenblauem Wams und gleichfarbiger Hose mit ebensolchen Schnüren. Von irgendwelchem anderen Zierat war an seiner Tracht nichts zu sehen. Wams und Hose waren wohl noch neu, sahen aber aus, als seien sie von langem Tragen in einem Reisesack arg zerknüllt. D'Artagnan machte all diese Wahrnehmungen mit dem schnellen Blick des scharfen Beobachters und ohne Frage durch eine instinktive Empfindung getrieben, als müsse dieser Unbekannte auf die künftige Gestaltung seines Lebens einen großen Einfluß haben. Aber im selben Augenblick brach das Gelächter wieder in verstärktem Maße los, und diesmal konnte d'Artagnan nicht länger im Zweifel sein, daß es darauf abgesehen war, ihn zu beleidigen. Ohne sich länger zu besinnen, rückte er sein Federbarett tief in die Augen und legte mit einer Miene, wie er sie bei vornehmen Herren beobachtet, die rechte Hand auf den Knauf seines Degens, während er die linke in die Seite stemmte. Leider wuchs mit jedem Schritt, den er auf den Fremden zu machte, sein Zorn, so daß er statt der würdigen Ansprache, die er sich vorgenommen hatte, mit einer derben Grobheit herausplatzte, die er durch eine grimmige Gebärde noch arg verschärfte. »He, Sie da!« rief er, »kommen Sie doch mal hinter Ihrem Fensterladen vor und sagen Sie mir, warum Sie lachen. Wir wollen dann zusammen lachen.« Der Edelmann ließ den Blick langsam vom Gaul zum Reiter gleiten, als brauche er eine gewisse Zeit, um zu verstehen, daß diese absonderliche Rede wirklich ihm gelte. Als er dann erkannte, daß von einem Irrtum keine Rede mehr sein könne, zogen sich seine Brauen zusammen, aber es verging noch eine geraume Weile, bis er mit einem Spott und einer Frechheit, die sich unmöglich schildern ließe, dem jungen d'Artagnan erwiderte: »Mit Ihnen, Herr, rede ich nicht!« »Aber ich rede mit Ihnen!« schrie der Jüngling, außer sich über diese Mischung von Frechheit und guten Manieren, von Beachtung und Mißachtung. Noch einen Augenblick lang maß ihn der Unbekannte mit seinem geringschätzigen Lächeln, dann trat er vom Fenster zurück und langsamen Schrittes aus der Gaststube vor d'Artagnan hin, dicht neben seine Rosinante. Seine Ruhe und Ironie erhöhten die Lustigkeit der Umstehenden in nicht geringem Maße, zumal er ihnen noch allerhand Bemerkungen zuwarf. D'Artagnan zog, als er ihn auf sich zukommen sah, seinen Degen fußlang aus der Scheide. »Wenn der Gaul in seiner Jugend kein Fuchs war, so ist er es doch jetzt,« sagte der Unbekannte wieder zu seinen Bekannten am Fenster, ohne sich um d'Artagnans Grimm irgendwie zu kümmern. »In der Botanik ist die Farbe ja zu Hause, aber bei Pferden sieht man sie nur selten.« »Ihr seid auch einer, der wohl über ein Roß, nicht aber über seinen Herrn zu lachen wagt!« rief der grimmige Nebenbuhler Trévilles. »Ich lache nicht oft, Herr,« erwiderte der Unbekannte, »wie Sie mir ja schon am Gesicht ansehen können; aber mein Recht, zu lachen, wenn's mir gefällt, lasse ich mir nicht schmälern.« »Und ich,« schrie d'Artagnan, »ich dulde nicht, daß man lacht, wenn's mir mißfällt!« »Ist das Ihr Ernst, Herr?« erwiderte der Unbekannte mit weit größerer Ruhe noch als bisher, »na, Sie haben ja vollkommen recht!« Damit drehte er sich auf den Hacken um, um durch das große Tor in die Gastwirtschaft zurückzutreten. Dort sah d'Artagnan ein frisch gesatteltes Pferd stehen. Aber er war nicht der Mann danach, jemanden laufen zu lassen, der sich frech über ihn lustig gemacht hatte, sondern riß seinen Degen ganz aus der Scheide und schickte sich an, hinter dem andern herzurennen. »Heda, Ihr! Hübsch kehrtgemacht, damit ich Euch nicht eins hinten aufbrenne!« Der andere aber drehte sich wieder herum und maß den Jüngling mit einem Blick, aus dem Staunen und Verachtung in gleichem Maße sprachen. »Mir eins aufbrennen?« wiederholte er... »aber geht, geht, mein Lieber! Bei Euch scheint's hier oben nicht ganz richtig zu sein!« und dabei zeigte er spöttisch nach der Stirn... Dann aber fuhr er halblaut, wie zu sich selbst, fort: »Schade, schade! Das wäre doch was für Seine Majestät, die überall nach Rekruten für Ihre Musketiergarde sucht!« Aber noch hatte er nicht ausgeredet, als d'Artagnan einen so grimmigen Stoß nach ihm führte, daß er ohne einen schnellen Sprung zur Seite wahrscheinlich zum letztenmal in seinem Leben gespottet hätte. Er sah nun, daß die Sache ernst wurde, zog seinen Degen, salutierte dem Gegner und legte sich aus. Im selben Augenblick aber fielen die beiden Männer, die mit ihm am Fenster gestanden hatten, gemeinsam mit dem Wirt mit Stöcken, Schaufeln und Schüreisen über d'Artagnan her, was dem Auftritt im Handumdrehen ein so völlig anderes Gesicht gab, daß d'Artagnans Widersacher mit der größten Seelenruhe den Degen wieder einsteckte und aus einem Teilnehmer, zu welcher Rolle für ihn nur wenig gefehlt hatte, ein Zuschauer wurde, während d'Artagnan sich mit allen Kräften seiner neuen Feinde zu erwehren suchte. »Hol der Teufel diese Gascogner!« brummte der Unbekannte durch die Zähne: »Setzt ihn wieder auf seinen orangefarbigen Gaul und laßt ihn sich scheren, wohin er will!« »Was er aber nicht früher tun wird, als bis er dir Feigling den Degen zwischen die Rippen gejagt hat!« schrie d'Artagnan, indem er sich, so gut es ging, Luft zu machen suchte. »Schon wieder eine solche gascognische Großmäuligkeit!« antwortete der Edelmann; »meiner Treu, diese Gascogner sind unverbesserlich! Da er's nicht anders will, spielt ihm nur weiter auf! Wenn ihm die Puste ausgeht, wird er's schon sagen.« Aber er wußte nicht, mit was für einem Dickschädel er's zu tun hatte, denn d'Artagnan kam es nie in den Sinn, um Pardon zu betteln. Die Schlägerei dauerte also noch ein paar Sekunden; schließlich entfiel aber d'Artagnan der von einem Stockhieb zertrümmerte Degen, während ihn selbst ein anderer Schlag vor die Stirn traf und zu Boden streckte. Das war der Augenblick, wo alle Bürger des Marktfleckens den Schauplatz der Handlung erreichten. Der Gastwirt, unliebsames Aufsehen fürchtend, trug den Verletzten mit seinen Kellnern in die Küche und sorgte dort für angemessene Pflege. Der Edelmann seinerseits war auf seinen Platz am Fenster zurückgetreten und hielt mit Ungeduld die zusammengelaufene Menge im Auge, über deren Anwesenheit er lebhaften Verdruß zu empfinden schien... »Na, was macht denn dieser wilde Bär?« fragte er den zur Tür hereintretenden Wirt. »Oh, Ihre Exzellenz sind doch heil und gesund?« fragte der Wirt. »Jawohl, vollkommen heil und gesund, mein lieber Wirt, aber Sie hören doch, daß ich mich nach dem jungen Raufbold erkundige.« »Mit dem geht's besser«, versetzte der Wirt, »er liegt in tiefer Ohnmacht.« »Wirklich?« »Vorher aber hat er noch einmal seine ganze Kraft zusammengerafft, um nach Ihnen zu schreien und Sie herauszufordern.« »Ist der Kerl denn der Teufel in Person?« »Keineswegs, Exzellenz«, versetzte mit verächtlicher Grimasse der Wirt, »denn während seiner Ohnmacht haben wir ihn durchsucht und in seinem Bündel weiter nichts als ein Hemd und in seinem Beutel nur elf Taler gefunden, was für ihn aber kein Hindernis war, zu rufen, ehe er in Ohnmacht sank, daß er's Ihnen, wenn der Vorfall in Paris passiert wäre, sofort heimgezahlt hätte, und daß die Sache Sie aber, wenn er Sie hier wieder träfe, noch teurer zu stehen käme.« »Demnach ist es irgendein verkappter Prinz von Geblüt«, sagte der Unbekannte kalt. »Ich gebe Ihnen bloß Kenntnis davon«, sagte der Wirt, »damit Sie auf Ihrer Hut sind.« »Und hat er in seinem Zorn niemand genannt?« »O doch! Er hat auf seine Tasche geklopft und gerufen: Nun, wir werden ja sehen, was Herr von Tréville über solchen, seinem Schutzbefohlenen angetanen Schimpf denken wird.« »Herrn von Tréville hat er genannt?« fragte der Unbekannte, »und dabei auf die Tasche geklopft?... Ei, ei, mein lieber Wirt, Ihr habt doch sicher nicht unterlassen, während er in Ohnmacht lag, seine Tasche zu visitieren? Was hat er denn drin gehabt?« »Einen Brief an Herrn von Tréville, Hauptmann der Musketiere.« »Wirklich?« »Wie ich Ihnen zu sagen die Ehre habe, Exzellenz!« Der Wirt gehörte nicht zu den überklugen Leuten und merkte infolgedessen nicht, welche Änderung seine Worte in dem Gesicht des Edelmannes hervorriefen, während dieser sich jetzt vom Fenstersims entfernte, auf das er sich bisher mit dem Arm gestützt hatte, und wie jemand, den ein unruhiges Gefühl beschleicht, die Stirn in Falten legte... »Schwerenot!« brummte er zwischen den Zähnen, »sollte mir Tréville diesen Burschen auf den Hals geschickt haben? Er ist noch sehr jung; aber ein Degenstoß bleibt ein Degenstoß, mag er vo n einem Alten oder von einem Jungen kommen, und gegen Kinder ist man weniger mißtrauisch als gegen andere Leute. Es ist schon mancher große Plan an einem kleinen Hindernis gescheitert.« Darauf versank der Unbekannte in minutenlanges Sinnen. »Sagt mal, Wirt«, wandte er sich dann an diesen, »werdet Ihr mich von diesem Rasenden erlösen, oder nicht? So mir nichts, dir nichts kann ich ihn nicht umbringen, und doch«, setzte er mit einer Miene voll kalter Drohung hinzu, »ist er mir lästig... Wo steckt er jetzt?« »In der Stube meiner Frau, im ersten Stock; sie verbindet ihn.« »Sind seine Sachen und sein Mantelsack noch bei ihm?« fragte der Unbekannte. »Das Wams hat er nicht ausgezogen?« »Das ist im Gegenteil alles unten in der Küche... Aber da dieser junge Tropf Exzellenz unbequem ist...« »Gewiß ist er das, denn er verursacht in Eurem Gasthof ein Ärgernis, das allen rechtlichen Leuten zuwider sein muß. Geht hinauf, macht mir die Rechnung und ruft meinen Lakai.« »Was? Exzellenz wollen uns schon verlassen?« »Sie wissen das doch, denn ich habe Euch nicht umsonst geheißen, mein Pferd zu satteln... Ist man etwa meinem Befehl nicht nachgekommen?« »O doch, und wie Exzellenz sehen können, steht Ihr Roß, gesattelt und bepackt, unter dem großen Tor.« »Gut! besorgt das Weitere, wie ich befohlen habe.« »Hm!« brummte der Wirt in den Bart, »sollte er sich etwa gar vor dem Jungen fürchten?« Aber aus dem Auge des Unbekannten traf ihn ein gebieterischer Blick, und sogleich verließ er mit tiefer Verbeugung die Stube. »Mylady darf dieser Wicht nicht sehen,« sprach der Unbekannte zu sich, »und sie muß jeden Augenblick kommen, denn eigentlich sollte sie schon da sein... Auf alle Fälle ist's klüger, ich reite ihr entgegen. Wenn ich bloß dahinterkommen könnte, was in diesem Brief an Tréville steht!«... Der Unbekannte begab sich in die Küche. Der Wirt machte sich inzwischen klar, daß den unbekannten Herrn nichts weiter als die Anwesenheit des jungen Raufboldes aus seinem Gasthof vertreibe, und war zu seiner Frau hinaufgegangen. In ihrer Stube hatte er d'Artagnan im Vollbesitz seiner Besinnung angetroffen. Er säumte nicht, ihm zu verstehen zu geben, daß ihm sehr leicht die Polizei über den Hals kommen dürfte, weil er Händel mit einem Herrn vom hohen Adel gesucht hätte, denn seiner Meinung nach konnte der Unbekannte nichts anderes sein, und so bestand er darauf, daß d'Artagnan trotz der Schwäche, die ihn von neuem befiel, von seinem Lager aufstünde und seines Weges weiterzöge... D'Artagnan, noch im Zustand halber Betäubung, ohne Wams und den Kopf mit einer Binde umwickelt, stand also auf und schickte sich an, die Treppe hinunterzuschleichen. Das erste aber, was ihm, als er an der Küche vorbeikam, in die Augen fiel, war sein Widersacher, der auf dem Tritt einer schweren, mit zwei kräftigen normannischen Pferden bespannten Kutsche stand und gemütlich mit einer Dame von etwa zwanzig Jahren sich unterhielt, deren Kopf von dem Kutschenschlag gleichsam umrahmt erschien. Wir haben schon bemerkt, daß d'Artagnan die Fähigkeit besaß, ein Gesicht mit einem Blick abzuschätzen, und so erkannte er auch jetzt im Nu, daß die Dame jung und schön war, und ihre Schönheit stach ihm um so schärfer in die Augen, als ihre Art in den südlichen Landstrichen, wo er bislang sein Leben zugebracht, völlig unbekannt und fremd war. Es war nämlich eine blasse, blonde Dame mit langen Locken, die ihr tief über die Schultern herabfielen, und großen, blauen, schmachtenden Augen, rosigen Lippen und Händen, weiß wie Alabaster. Die Dame befand sich in lebhafter Unterhaltung mit dem Unbekannten. »Eminenz befehlen mir also...«, sagte sie. »Auf der Stelle nach England zurückzukehren und durch Eilboten zu melden, ob der Herzog London verlassen hat.« »Und meine weiteren Instruktionen?« fragte die schöne Reisende. »Befinden sich in dieser Schatulle, die Sie jedoch erst öffnen dürfen, wenn Sie den Kanal hinter sich haben.« »Gut! und was werden Sie tun?« – »Nach Paris zurückkehren.« – »Ohne den unverschämten Burschen zu züchtigen?« Der Unbekannte schickte sich bereits zu einer Antwort an; aber gerade, als er den Mund dazu öffnete, schoß d'Artagnan, der alles mit angehört hatte, über die Schwelle... »Der unverschämte Bursche wird die anderen züchtigen«, rief er, »und hoffentlich drückt sich derjenige, der zunächst an die Reihe kommt, nicht wieder wie das erstemal.« »Drückt sich?« wiederholte der Unbekannte, die Stirn runzelnd. »Nein, in Gegenwart einer Dame wird er es sich wohl nicht getrauen!« »Bedenken Sie«, rief die Dame, als sie den Edelmann blankziehen sah, »daß die geringste Verzögerung alles gefährden könnte!« »Sie haben recht«, rief der Edelmann, »reisen Sie also ab, ich werde folgen.« Er nickte der Dame noch einmal zu und schwang sich auf sein Roß. Im Galopp jagten Reiter und Karosse nach verschiedenen Richtungen davon... »He, he! Ihre Zeche!« schrie der Wirt, dessen Respekt vor dem Reisenden sogleich auf den Nullpunkt sank, als dieser wegritt, ohne zu bezahlen. »Tolpatsch, bezahle!« rief der Reiter, ohne in seinem Galopp nachzulassen, seinem Lakai zu, der dem Wirt ein paar Silbermünzen vor die Füße warf und seinem Herrn nachsprengte. »Ha, die feige Memme!« schrie d'Artagnan, seinerseits hinter dem Lakai herjagend; »der Halunke! Der Bastard von einem Edelmann!« Aber um solche Erschütterung auszuhalten, war der Verwundete noch zu schwach, und kaum hatte er zehn Schritte gemacht, da schlug er mit dem Ruf: »Halunke! Halunke!« mitten auf der Straße hin. »Ein feiger Wicht ist er freilich!« brummte der Wirt, der zu d'Artagnan trat und sich durch diese Schmeichelei in besseres Licht bei dem Jüngling zu setzen suchte. »Jawohl, feige, sehr feige!« lallte d'Artagnan, »aber sie – sie ist schön!« »Wer? sie?« fragte der Wirt. »Mylady«, lallte d'Artagnan, worauf er wieder in Ohnmacht sank. »Das schert mich nicht«, sagte der Wirt, »zwei bin ich los, aber der da bleibt mir ja, und sicherlich auf ein paar Tage... Um elf Taler will ich ihn jedenfalls erleichtern.« Und elf Taler waren es gerade noch, die d'Artagnan in seinem Beutel hatte... Der Wirt hatte auf elf Tage zu je einem Taler gerechnet, aber diese Wirtsrechnung ohne seinen Gast gemacht, denn am andern Morgen, schon vor fünf Uhr, erhob sich d'Artagnan von seinem Lager, begab sich in die Küche, ließ sich, außer einigen anderen Ingredienzen, deren Verzeichnis nicht auf uns gekommen ist, Wein, Öl und Rosmarin geben und mischte dies alles nach dem Rezept seiner Mutter zu der berühmten Wundsalbe, mit der er sich seine zahlreichen Blessuren einrieb, um hierauf seine Binden selbst zu erneuern. Die Zigeunersalbe tat denn auch die Wirkung, daß er sich abends außer aller Gefahr befand und am andern Morgen fast ausgeheilt war. Als er aber den Rosmarin, das Öl und den Wein – das einzige, was er von dem Wirt entnommen hatte, bezahlen wollte, und in seinen Beutel griff, fand er wohl noch die elf Taler drin, aber nicht mehr das väterliche Schreiben an Herrn von Tréville. Der Jüngling begann mit unsäglicher Geduld nach dem Brief zu suchen und wandte alle Taschen wohl zwanzigmal um, wühlte in Mantelsack und Börse wohl eine Viertels tunde lang; aber der Brief fand sich nirgends mehr vor... und nun verfiel er in den dritten Wutanfall, der ihm fast eine neuerliche Anwendung von Rosmarin usw. aufgedrungen hätte; denn als der Wirt sah, daß der junge Hitzkopf wieder herumzurasen anfing und alles im Hause kurz und klein zu schlagen drohte, hatte er sich im Nu mit einem Spieß, die Frau mit einem Besenstiel bewaffnet, während seine Kellner zu den nämlichen Stöcken griffen, mit denen dem unwirschen Patron schon tags vorher das Fell verbleut worden war. »Mein Brief!« schrie dieser, »mein Brief! Gottes Blut, oder ich spieße euch alle miteinander auf wie Krammetsvögel!« Leider setzte sich der Ausführung dieser Drohung ein Umstand entgegen, und zwar der, daß sein Degen bei dem ersten Geplänkel entzweigeschlagen worden war. Das aber hatte er in seinem Grimm vergessen, und so sah er sich denn, als er nun blankziehen wollte, im Besitz eines bloßen Degenstumpfes von 8 bis 10 Zoll Länge, den der Wirt vorsorglich in die Scheide geschoben, während er das andere Stück auf die Seite gebracht hatte, in der Absicht, sich einen Bratspieß daraus zu machen. Nichtsdestoweniger hätte sich unser rasender Roland durch diese Enttäuschung wohl kaum abhalten lassen, seine Absicht auszuführen; der Wirt war aber zu der Einsicht gekommen, daß die von dem Reisenden erhobene Forderung durchaus recht und in Ordnung war... »Ja, wo ist denn Euer Brief?« sagte er, seinen Spieß senkend. »Ja, wo ist der Brief?« schrie d'Artagnan... »Ihr müßt nämlich wissen, daß der Brief an Herrn von Tréville gerichtet war, und wenn er sich nicht wiederfindet, nun, dann wird ihn dieser schon zu suchen wissen!« Diese Drohung schüchterte den Wirt vollständig ein. Nach dem König und dem Kardinal war Herr von Tréville der Mann, dessen Name von den Soldaten und Bürgern vielleicht am allerhäufigsten genannt wurde. Freilich war ja noch Pater Joseph da; dessen Name ward immer nur leise geflüstert, so groß war der Schrecken, den die »graue Eminenz«, wie man allgemein den Famulus des Kardinals nannte, allen Le uten in Frankreich einflößte. Der Wirt warf also seinen Spieß weg und hieß die Frau den Besenstiel beiseite stellen, die Kellner die Stöcke aus den Händen legen, während er sich selbst daranmachte, den in Verlust geratenen Brief zu suchen... »War denn in dem Brief irgendwas Kostbares?« fragte er, nachdem er eine Weile vergeblich gesucht hatte. »Gottes Blut! das will ich meinen!« rief der Gascogner, denn er versprach sich von dem Brief ja die beste Aussicht für seine Lebenslaufbahn... »Er barg doch mein ganzes Vermögen!« »In spanischen Wertpapieren?« fragte der Wirt voll Unruhe. »In Anweisungen auf die königliche Privatschatulle«, versetzte d'Artagnan, denn er rechnete ja zufolge dieser Empfehlung auf eine Anstellung im königlichen Dienst und meinte deshalb, volle Berechtigung zu solcher freilich etwas gewagten Rede zu haben, ohne sich damit einer Lüge schuldig zu machen. »Schwerenot!« rief der Wirt, ganz außer sich. »Aber aufs Geld kommt's in diesem Fall gar nicht so sehr an«, nahm d'Artagnan wieder das Wort, mit der ihm als Gascogner eigentümlichen Großtuerei; »bloß auf den Brief! den Brief! Lieber hätte ich tausend Pistolen verloren als den Brief!« Plötzlich kam dem Wirt, der sich zu allen Geiern wünschte, als er trotz allem Suchen den Brief nicht fand, ein Gedanke... »Der Brief ist ja gar nicht verloren!« rief er. »So?« machte d'Artagnan. »Nein, verloren nicht, gestohlen ist er Euch!« »Gestohlen? von wem?« »Von dem Edelmann von gestern, denn er war ja in der Küche, wo Euer Wams lag; war allein dort, und ich möchte darauf wetten, daß er, und kein andrer, Euch den Brief gestohlen hat.« »Meint Ihr?« erwiderte d'Artagnan, ohne sich für diese Ansicht besonders erwärmen zu können, denn er wußte doch recht gut, daß an dem Brief nichts war, was jemandes Habsucht hätte reizen können. Immerhin fragte er: »So? Ihr habt also auf diesen unverschämten Menschen Verdacht?« »Ich bin meiner Sache sogar ganz sicher«, erwiderte der Wirt, »denn als ich ihm gesagt hatte, Ihr seiet an Herrn von Tréville mit einem Schreiben empfohlen, also dessen Schützling, da verlor er mit einem Mal die Ruhe und fragte, ob ich wüßte, wo der Brief sei, ging auch gleich darauf in die Küche hinunter, denn daß dort Euer Wams läge, wußte er.« »Nun, dann ist er auch der Spitzbube«, versetzte d'Artagnan; »ich werde mich beim Herrn von Tréville beschweren, und der wird sich beim König beschweren.« Darauf zog er großartig seine Börse, nahm zwei blanke Taler heraus und gab sie dem Wirt, der ihn mit dem Hut in der Hand bis zur Tür begleitete. Dann bestieg er wieder seine gelbe Rosinante, die ihn ohne jeden weiteren Unfall bis an das Tor Saint-Antoine von Paris brachte. Dort verkaufte er die Rosinante um drei bare Taler, was immer noch ein guter Preis war. Und der Roßkamm sagte auch, er bezahle dieses schwere Stück Geld bloß deshalb, weil ihm die absonderliche Farbe des Gaules imponiere... D'Artagnan betrat also Paris zu Fuß, mit seinem Bündel unterm Arm und lief ziemlich lange herum, bis es ihm glückte, eine seinen mageren Geldmitteln angeme ssene Stube zu finden. Endlich fand er sie in der unfern von dem Luxemburg-Palais gelegenen Rue des Fossoyeurs, bezahlte einen Teil der Miete voraus und quartierte sich ein. Er flickte sein Wams und nähte an die Beinkleider die Borte, die seine fürsorgliche Mutter von einem noch fast neuen Anzug seines Vaters abgetrennt und ihm mit in sein Bündel gesteckt hatte. Hierauf machte er einen Gang auf den Kai der Waffenschmiede, um sich an seinen Degenknauf eine neue Klinge machen zu lassen, fragte sich nach dem Louvre zurecht und erkundigte sich bei dem ersten Musketier, den er unterwegs traf, nach dem Palais des Herrn von Tréville, das in der Nähe der von ihm gemieteten Dachstube, in der Rue du Vieux-Colombier, lag. Dies schien ihm ein Umstand, den er als günstige Vorbedeutung für den glücklichen Erfolg seiner Reise auffaßte. Durchaus zufrieden mit seinem Verhalten im Marktflecken Meung, ohne Kummer wegen der Vergangenheit, voll Vertrauen auf die Gegenwart und voll Hoffnung für die Zukunft, legte er sich in sein Bett und schlief den Schlaf des Gerechten, und zwar, ganz noch wie es Brauch und Sitte ist in der Provinz, bis in die neunte Morgenstunde. Da erst erhob er sich, wischte sich die Augen, wusch und kämmte sich und machte sich auf den Weg nach dem Palais des Herrn von Tréville, der nach der Schätzung seines Vaters der drittmächtigste Mann im Königreich Frankreich war.
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