Рассказ «Признание» (Geständnis) на немецком языке – Джек Лондон |
Рассказ «Признание» (Geständnis) на немецком языке – читать онлайн, автор книги – Джек Лондон. Книга «Признание» входит в сборник рассказов Джека Лондона «Дорога». Это цикл автобиографических рассказов, которые были написаны в период бродяжничества Джека Лондона по Америке. Эти рассказы не являются такими известными, как, к примеру, «Мартин Иден», «Морской волк» и другие популярные произведения (и которые впоследствии были переведены на многие самые распространённые языки мира). Остальные рассказы, повести и романы, которые написал Джек Лондон, а также много других литературных произведений известных писателей можно читать онлайн в разделе «Книги на немецком» (для детей создан раздел «Сказки на немецком»). Для тех, кто самостоятельно изучает немецкий язык по фильмам, создан раздел «Фильмы на немецком языке» (для детей есть раздел «Мультфильмы на немецком»). Для тех, кто хочет учить немецкий язык не только самостоятельно, но и с преподавателем, есть информация на странице «Немецкий по скайпу».
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Abenteuer eines Tramps
Geständnis
Im Staat Nevada lebt eine Frau, die ich einmal belogen habe, ohne mit der Wimper zu zucken, hartnäckig und schamlos, und das mehrere Stunden lang. Ich möchte mich nicht bei ihr entschuldigen. Beileibe nicht. Aber ich möchte die Sache doch erklären. Unglücklicherweise weiß ich nicht mal ihren Namen, geschweige denn ihre gegenwärtige Adresse. Aber sollte sie zufällig diese Zeilen lesen, wird sie hoffentlich an mich schreiben. Es war also in Reno, Nevada, im Sommer 1892. Außerdem war gerade Jahrmarkt, und in der Stadt wimmelte es nur so von Langfingern und Gaunern, gar nicht zu reden von einer riesigen Horde hungriger Landstreicher. Die Stadt wirkte regelrecht verhungert durch diese hungrigen Landstreicher. Sie trommelten so lange an die Hintertüren der Häuser der Einwohner, bis sich die Hintertüren nicht mehr öffneten. Eine unfreundliche Stadt, was das Fechtengehen anging, wie die Tramps damals meinten. Ich kann mich noch gut entsinnen, daß ich so manch eine Mahlzeit auslassen mußte, wo ich doch genausogut wie jeder andere, wenn nötig, mit dem Stiefel gegen ein Tor donnern konnte, um ein Butter brot zu ergattern oder gar ein richtiges Essen, oder um wenigstens eine milde Gabe auf der Straße zu erbeuten. Ja, so schlecht ging es mir damals in dieser Stadt, daß ich eines Tages dem Schaffner entwischte und in das Privatabteil irgendeines reisenden Millionärs eindrang. Der Zug fuhr gerade an, als ich die Plattform erreichte; ich stürzte auf besagten Millionär zu, der Schaffner mir dicht auf den Fersen, um mich zu schnappen. Es war ein totes Rennen, denn in demselben Augenblick, als ich den Millionär erreichte, hatte mich der Schaffner auch schon am Kragen. Es blieb keine Zeit für Formalitäten. »Geben Sie mir 'nen Vierteldollar für 'n bißchen Essen«, konnte ich nur ausstoßen. Und so wahr ich lebe, der Millionär langte in seine Tasche und gab mir - genau und wahrhaftig - einen Vierteldollar, Ich bin fest davon überzeugt, er war so verdattert, daß er automatisch gehorchte, und es hat mir seitdem immer wieder leid getan, daß ich ihn nicht um einen ganzen Dollar gebeten habe. Ich bin sicher, daß ich auch den bekommen hätte. Ich sprang von der Plattform jenes Privatabteils ab, während der Schaffner bemüht war, mir ins Gesicht zu treten. Aber er traf nicht. Man ist in einer verdammt unangenehmen Lage, wenn man gerade versucht, von einem fahrenden Wagen zu springen, ohne sich dabei den Hals zu brechen, einen wütenden Kerl über sich, der einem mit Schuhgröße fünfundvierzig ins Gesicht treten will. Aber trotzdem - den Vierteldollar hatte ich! Hatte ihn tatsächlich! Doch um auf die Frau zurückzukommen, die ich so schamlos belogen habe. Es war am Abend meines letzten Tages in Reno. Ich war draußen auf der Rennbahn gewesen, hatte den Ponies zugesehen und dabei mein Dinner (also meine Mittagsmahlzeit) verpaßt. Ich war hungrig, und zu allem Übel hatte man gerade ein Komitee für öffentliche Sicherheit gebildet, das die Stadt von solch hungrigen Sterblichen wie mich säubern sollte. Eine ganze Reihe meiner Kumpels war bereits vom Gesetz geschnappt worden, während ich sozusagen die sonnigen Täler Kaliforniens über die kalten Gipfel der Sierra rufen hören konnte. Zwei Dinge blieben mir zu tun, ehe ich den Staub Renos von den Füßen schüttelte. Einmal mußte ich den Gepäckwagen des westwärts abgehenden Nachtzuges erreichen, und zum anderen mußte ich mir etwas zu essen organisieren. Selbst junge Menschen werden es sich zweimal überlegen, mit leerem Magen auf die Reise zu gehen, eine Fahrt die ganze Nacht hindurch, draußen an den Zug geklebt, der durch Tunnel und auf unendlichen Schneeweiten himmelhoher Berge dahinrast. Aber das mit dem Essen war ein schwieriges Unterfangen. An einem Dutzend Türen war ich bereits abgewiesen worden. Mitunter hatte ich häßliche Bemerkungen einstecken müssen und war auf das vergitterte Domizil hingewiesen worden, in das ich von Rechts wegen gehörte. Das schlimmste davon war, daß solche Behauptungen nur allzusehr stimmten. Und gerade deshalb wollte ich noch denselben Abend in Richtung Westen abdampfen. Die Hand des Gesetzes griff in der Stadt um sich, emsig auf der Suche nach Hungrigen und Obdachlosen, für die es genug Platz hinter Schloß und Riegel gab. An anderen Häusern wieder schlug man mir die Tür vor der Nase zu, so daß ich mit meiner höflich und bescheiden vorgetragenen Bitte nach etwas Eßbarem gar nicht zu Ende kam. An einer Stelle machten sie nicht mal die Tür auf. Ich stand auf der Veranda und klopfte, aber man beobachtete mich nur durch die Fenster. Sie hoben sogar einen kräftigen kleinen Jungen hoch, damit er über die Schultern der anderen hinweg den Landstreicher sehen konnte, der in ihrem Hause nichts zu essen bekommen würde. Fast hatte es den Anschein, als müßte ich zu den Ärmsten der Armen gehen, um etwas, zu essen zu bekommen. Die wirklich Armen sind für den hungrigen Tramp die letzte sichere Zuflucht. Auf die wirklich Armen kann man sich im mer verlassen. Sie werden einen Hungrigen nie von ihrer Tür weisen. Mehr als einmal, überall in den Vereinigten Staaten, wurde mir etwas Eßbares von dem vornehmen Haus auf der Anhöhe abgeschlagen; aber in der kleinen Hütte unten am Bach oder Sumpf, die zerbrochenen Fensterscheiben mit Lumpen ausgestopft, die Frau verhärmt und abgearbeitet, da habe ich immer etwas zu essen bekommen. O ihr, die ihr immer von Nächstenliebe schwafelt! Geht hin zu den Armen und lernt von ihnen, denn nur die Armen wissen, was Nächstenliebe ist. Von ihrem Überfluß können sie einem weder etwas geben noch etwas vorenthalten. Sie haben keinen Überfluß. Sie geben von dem, was sie für sich selbst brauchen, und vorenthalten es einem nie, und sehr oft geben sie sogar von dem, was sie für sich selbst bitter nötig hätten. Ein Knochen für den Hund - das ist keine Nächstenliebe. Nächstenliebe ist es, den Knochen mit dem Hund zu teilen, wenn man selbst genauso hungrig ist wie der Hund. Besonders ein Haus werde ich nicht vergessen, aus dem ich an dem Abend damals hinausgeworfen wurde. Die Ve randatüren führten direkt in das Speisezimmer, und durch die Glasscheiben konnte ich einen Mann Pastete essen sehen - eine große Fleischpastete. Ich stand in der offenen Tür, und während er sich mit mir unterhielt, aß er immer weiter. Er war von der wohlhabenden Sorte, und aus dieser Wohlhabenheit heraus war er voller Haß gegen seine weniger glücklichen Mitmenschen. Er unterbrach meine Bitte nach etwas Essen und schnauzte los: »Zum Arbeiten hast du wohl keine Lust, wie?« Das war eine völlig abwegige Frage. Ich hatte kein Wort über Arbeit gesagt. Das Thema der Unterhaltung, mit der ich angefangen hatte, hieß »Essen«. Und um ehrlich zu sein, ich hatte keine Lust zu arbeiten. Ich wollte doch heute nacht den nach Westen abgehenden Fernzug kriegen. »Du würdest bestimmt nicht arbeiten, wenn du Gelegenheit dazu hättest«, herrschte er mich an. Ich warf einen Blick auf seine sanft aussehende Frau und begriff, daß ich eine schöne Portion Fleischpastete bekommen hätte, wenn nicht dieser Zerberus dagewesen wäre. Aber so schaufelte er die Pastete in sich hinein, und ich sah, daß ich ihm irgendwie zum Munde reden mußte, wollte ich noch etwas davon abhaben. So seufzte ich nur still vor mich hin und ging auf sein moralisches Gefasel über die Arbeit ein. »Natürlich würde ich arbeiten«, gab ich vor. »Glaub ich nicht«, schnaubte er. »Lassen Sie's doch darauf ankommen«, antwortete ich und erwärmte mich selbst an dem Gedanken. »Gut«, sagte er. »Komm morgen früh zur Straße X, Ecke Y. (Ich habe die Adresse vergessen.) Du weißt doch, wo das heruntergebrannte Gebäude ist. Ich werde dir Arbeit geben, kannst Ziegelsteine schleppen.« »Geht in Ordnung, Sir, ich komme.« Er grunzte bestätigend und aß weiter. Ich wartete. Nach ein paar Minuten blickte er auf; man sah seinem Gesichtsausdruck an, daß er geglaubt hatte, ich sei längst fort, und fragte: »Na?« »Ich ..., ich habe noch gewartet, ich hätte gern etwas zu essen«, sagte ich höflich. »Ich wußte doch, daß er keine Lust zur Arbeit hat!« brüllte er los. Natürlich hatte er recht; er mußte wohl Gedanken lesen können, um zu dieser Feststellung zu kommen, denn beweisen konnte er es nicht. Aber der Bettler an der Tür muß demütig sein, und so ging ich denn auf seine Feststellung ein, wie ich auch auf seine Moralpredigt über die Arbeit eingegangen war. »Wissen Sie, ich bin aber jetzt hungrig«, sagte ich, immer noch höflich. »Morgen früh werde ich noch hungriger sein. Stellen Sie sich mal vor, wie hungrig ich erst sein werde, wenn ich einen ganzen Tag lang Steine geschleppt habe ohne irgend etwas im Magen. Wenn Sie mir aber jetzt schon etwas zu essen geben, werde ich morgen mit den Ziegelsteinen ganz groß in Form sein.« Er überdachte ernsthaft meine Einwände, während er weiter aß und seine Frau beinahe ein paar versöhnende Worte eingeworfen hätte, es dann aber doch lieber sein ließ. »Ich werde dir mal etwas sagen«, meinte er zwischen zwei Happen. »Du kommst morgen zur Arbeit, und wenn der halbe Tag rum ist, schieße ich dir soviel vor, daß es zu einer Mahlzeit reicht. Da können wir ja dann mal sehen, ob es dir ernst ist oder nicht.« »Und inzwischen ...«, fing ich an, aber er unterbrach mich. »Gebe ich dir jetzt etwas zu essen, sehe ich dich nie wieder. Diese Sorte kennen wir. Schau mich an. Ich schulde keinem etwas. Ich habe es nie soweit kommen lassen, daß ich um Essen betteln mußte. Ich habe mir mein Essen immer rechtschaffen verdient. Und das ist der springende Punkt bei dir, du bist faul und liederlich. Man sieht es dir am Gesicht an. Ich habe immer gearbeitet und bin ehrlich. Ich habe mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Und du kannst es genau so weit bringen, wenn du arbeitest und ehrlich bist.« »Wie Sie?« fragte ich. O je, nicht ein Funken Humor war jemals in die düstere und kleinliche Seele dieses Mannes gedrungen. »Ja, wie ich«, antwortete er. »Wir alle?« fragte ich. »Ja, ihr alle«, antwortete er, und sein Tonfall klang überzeugt. »Aber wenn wir nun alle wie Sie werden«, sagte ich, »möchte ich Sie doch darauf hinweisen, daß es dann niemanden mehr gibt, der Steine für Sie schleppt!« Ich könnte schwören, daß über das Gesicht seiner Frau ein Lächeln lief. Was ihn betraf, so war er völlig verblüfft - ob angesichts der entsetzlichen Aussicht auf eine reformierte Gesellschaft, in der er niemanden mehr zum Steineschleppen kriegen würde, oder wegen meiner Unverschämtheit, werde ich nie erfahren. »Ich verschwende meine Worte doch nicht an so einen wie dich«, brüllte er los. »Mach, daß du davonkommst, du undankbarer Kerl!« Ich schurrte mit den Füßen, um anzudeuten, daß ich gehen würde, und fragte: »Und zu essen bekomme ich nichts?« Er sprang plötzlich auf. Er war ein Riese von Mann. Ich aber war ein Fremder in einem fremden Land, und die Hand des Gesetzes brauchte nur nach mir zu greifen. Ich lief schnell davon. Aber warum undankbar? fragte ich mich und schlug das Tor zu. Was, zum Teufel, hat er mir gegeben, wofür ich undankbar gewesen sein könnte? Ich sah noch ein mal zurück. Ich konnte ihn immer noch durch das Fenster sehen. Er war zu seiner Pastete zurückgekehrt. Inzwischen hatte ich allen Mut verloren. Ich ging an vie len Häusern vorbei, ohne auch nur bei einem mein Glück zu versuchen. Ein Haus glich dem anderen, aber keins wirkte einladend. Nachdem ich etwa ein halbes Dutzend Häuser blocks hinter mir gelassen hatte, schüttelte ich meine Verzagtheit ab und riß mich zusammen. Schließlich war diese ganze Bettelei um ein bißchen Essen ein Spiel, und wenn mir die Karten nicht paßten, mußte eben noch einmal gemischt werden. Ich entschied mich also, es mit dem nächsten Haus zu versuchen. Ich pirschte mich im abendlichen Zwielicht heran, hinten herum zur Küchentür. Zaghaft klopfte ich an, und als ich das freundliche Gesicht der Frau mittleren Alters sah, die mir öffnete, hatte ich wie eine Eingebung sofort die »Geschichte« parat, die ich jetzt erzählen mußte. Denn soviel steht fest: Von der Fähig keit, eine gute Geschichte zu erzählen, hängt der Erfolg des Bettlers ab. Zuerst, und das in einem Augenblick, muß der Bettler sein Opfer richtig einschätzen. Danach muß er eine Geschichte erzählen, die genau auf Persönlichkeit und Temperament dieses Opfers abgestimmt ist. Und gerade hier taucht die große Schwierigkeit auf: Man hat sich noch kaum ein richtiges Bild von seinem Opfer gemacht, und schon muß man mit seiner Geschichte anfangen. Nicht eine Minute darf man verlieren, um sich erst etwas zurechtzulegen. In Blitzesschnelle muß man die Natur seines Opfers erfassen und eine Geschichte erfinden, die genau hinhaut. Ein erfolgreicher Landstreicher ist so etwas wie ein Künstler. Er muß aus dem Augenblick und aus der spontanen Eingebung heraus schöpfen und kann nicht ein Thema aus der Fülle seiner Phantasie wählen, sondern muß sich auf das Thema konzentrieren, das er vom Gesicht desjenigen abliest, der ihm die Tür öffnet, gleich, ob Mann, Frau oder Kind, lie benswürdig oder mürrisch, großzügig oder knausrig, gutmütig oder streitsüchtig, Jude oder Heide, schwarz oder weiß, voller Rassenvorurteile oder brüderlicher Nächstenliebe, mit engem oder weitem Horizont oder was sonst noch alles sein mag. Oft habe ich den Eindruck, daß mein Erfolg als Schriftsteller zum guten Teil auf das Training während meiner Vagabundenzeit zurückzuführen ist. Um etwas zu essen zu bekommen und mich am Leben zu erhalten, war ich gezwungen, Geschichten zu erzählen, die glaubhaft klangen. Wenn man - von unerbittlichem Zwang getrieben – am Hintereingang steht, entwickelt man die Überzeugungskraft und Aufrichtigkeit, die bei der Kunst der Kurzgeschichte von allen Sachverständigen gefordert wird. Ich glaube weiterhin, daß meine Landstreicherlehrzeit es war, die einen Realisten aus mir gemacht hat. Realismus stellt die einzige Ware dar, die man an der Küchentür für etwas Eßbares zu bieten hat. Überhaupt, Kunst ist nur vollendete Kunstfertigkeit, und Kunstfertigkeit rettet so manche Geschichte. Ich weiß noch, wie ich auf einer Polizeistation in Winnipeg, Manitoba, gelogen habe. Ich wollte mit der Canadian-Pacific nach Westen. Wie üblich erwartete die Polizei von mir eine Geschichte, und die lieferte ich ihnen denn auch - einfach so aus dem Augenblick heraus. Sie waren ausgesprochene Landratten, mitten auf dem Kontinent, und was ergab sich da besser als eine Seemannsgeschichte? Dabei konnten sie mir nie auf die Schliche kommen! Und so erzählte ich eine rührselige Geschichte meines Lebens auf dem Höllendampfer »Glenmore«. (Ich hatte ein einziges Mal die »Glenmore« in der San-Francisco-Bucht vor Anker liegen sehen.) Ich wäre ein englischer Schiffsjunge, erzählte ich ihnen. Sie aber meinten, ich würde nicht wie ein Engländer sprechen. Es lag also an mir, sofort etwas Entsprechendes zu erfinden. Ich wäre in den Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen. Nach dem Tode meiner Eltern hätte man mich nach England zu meinen Großeltern gebracht. Diese wiederum hätten mich als Schiffsjungen auf die »Glenmore« gegeben. Der Kapitän der »Glenmore« möge mir verzeihen, daß ich ihn an jenem Abend auf der Polizeistation in Winnipeg so schrecklich geschildert habe. So was von Grausamkeit! So was von Brutalität! Solch ein Teufel im Erfin den von Quälereien! Das erklärte hinreichend, warum ich die »Glenmore« in Montreal verlassen hatte. Aber was ich mitten in Kanada suche und warum ich weiter nach Westen wollte, wenn meine Großeltern in England lebten? Prompt erfand ich eine verheiratete Schwester in Kalifornien. Sie würde für mich sorgen. Ich malte des langen und breiten ihre liebevolle Natur aus. Aber sie gaben sich immer noch nicht zufrieden, jene hartherzigen Polizisten. Ich war in England auf die »Glenmore« gegangen; wo denn die »Glenmore« in den beiden Jahren gewesen sei, ehe ich sie in Montreal verlassen hatte? Daraufhin schleppte ich diese Landratten mit mir um die ganze Welt. Von donnernden Wogen umhergeworfen, von schäumendem Gischt gepeitscht, kämpften sie gemeinsam mit mir vor der Küste von Japan gegen einen Taifun an. Sie luden und löschten mit mir die Fracht in allen Häfen der sieben Meere. Ich führte sie nach Indien, nach Rangoon, nach China, sie mußten mit mir das Eis um Kap Hoorn aufbrechen und konnten schließlich in Montreal vor Anker gehen. Dann ließen sie mich eine Weile warten, und ein Polizist ging in die Nacht hinaus, während ich mich am Ofen wärmte und mir die ganze Zeit den Kopf zerbrach, was für eine Falle sie mir jetzt stellen würden. Ich stöhnte nur innerlich, als ich ihn an der Tür sah, wie er direkt hinter dem Polizisten hereinkam. Diese dünnen Goldringe in seinen Ohren waren kein Zigeunertand; seine Haut war nicht im Präriewind so wettergebräunt und ledern geworden; und weder Schneestürme noch Berghänge hatten ihm diesen typischen, wiegenden Gang verliehen. Und in seinen Augen, als sie mich anblickten, sah ich den unverkennbaren Sonnenglanz des Meeres. Jetzt galt es, etwas zu erfinden, du meine Güte, und das vor einem halben Dutzend Polizisten, die mir genau zuhörten - ich, der ich noch nie das Chinesische Meer befahren, noch nie um Kap Hoorn gesegelt war, geschweige denn Indien oder Rangoon mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich war verzweifelt. Unheil drohte mir in Gestalt dieses wettergebräunten Seebären mit den Goldringen in den Ohren. Wer war er? Was war er? Ich mußte das aus ihm herausbekommen, ehe er etwas aus mir herausbekam. Ich mußte mir einen neuen Kurs suchen, oder jene gemeinen Polizisten würden mir einen anderen Kurs vorschreiben, und zwar den in die Zelle, vors Polizeigericht und wieder in eine Zelle. Wenn er mich erst ausfragte, ehe ich wußte, wieviel er wußte, war ich verloren. Aber ließ ich mir gegenüber diesen luchsäugigen Hütern des öffentlichen Wohls von Winnipeg irgend etwas von meiner verzweifelten Lage anmerken? Ich nicht. Ich begegnete dem alten Seemann leuchtenden Auges und strahlend, mit all der vorgetäuschten Erleichterung eines Ertrinkenden, der bei seinen letzten verzweifelten Bemühungen einen Rettungsring zu fassen bekommt. Hier war ein Mann, der mich verstand und der meine wahre Geschichte den Spürhunden gegenüber bestätigen würde, die mich nicht verstehen wollten - so jedenfalls stellte ich mir mein weiteres Schauspiel vor. Ich stürzte mich auf ihn, ich überschüttete ihn mit Fragen über seine Person. Vor den Augen meiner Richter wollte ich hinter den Charakter meines Retters kommen, ehe er mich rettete. Er war ein freundlicher Seemann - und eine »leichte Beute«. Die Polizisten wurden ungeduldig, während ich ihn ausfragte. Schließlich sagte einer, ich solle den Mund halten. Ich hielt den Mund; aber während ich schwieg, war ich eifrig dabei, das Drehbuch für den nächsten Auftritt zu entwerfen. Ich hatte bereits genug erfahren, um darauf weiter aufzubauen. Er war Franzose. Er war immer nur auf französischen Handelsschiffen gefahren, ausgenommen eine ein zige Reise auf einem »Apfelsinenkahn«. Und außerdem war er zu meinem Glück die letzten zwanzig Jahre nicht mehr auf See gewesen. Die Polizisten drängten ihn, mich auszufragen. »Sie sind also Rangoon angelaufen?« fragte er. Ich nickte. »Wir mußten unseren Dritten Steuermann dort an Land bringen. Fieber.« Wenn er mich gefragt hätte, was für ein Fieber, hätte ich geantwortet »Enteritis«, wenn ich auch beim besten Willen nicht wußte, was Enteritis war. Aber er fragte mich nicht. Statt dessen wollte er wissen: »Und wie hat Ihnen Rangoon gefallen?« »Ganz gut. Es regnete verdammt viel, als wir dort waren.« »Hatten Sie Landurlaub?« »Klar«, antwortete ich. »Wir drei Schiffsjungen gingen zusammen an Land.« »Erinnern Sie sich an den Tempel?« »Welchen Tempel?« wich ich aus. »Den großen, oben auf der Treppe.« Soviel stand fest, erinnerte ich mich an den Tempel, mußte ich ihn beschreiben. Ein Abgrund tat sich vor mir auf. Ich schüttelte den Kopf. »Man kann ihn überall vom Hafen aus sehen«, teilte er mir mit. »Man braucht nicht mal Landurlaub, um den Tempel zu sehen.« Nie in meinem Leben war mir ein Tempel so widerwärtig. Aber ich wurde auch mit diesem Tempel in Rangoon fertig. »Man kann ihn nicht vom Hafen aus sehen«, widersprach ich. »Man kann ihn nicht von der Stadt aus sehen. Man kann ihn nicht mal oben von der Treppe aus sehen, weil...«, ich legte eine Pause ein, um die Wirkung zu erhöhen, »weil es dort überhaupt gar keinen Tempel gibt.« »Aber ich habe ihn doch mit eigenen Augen gesehen!« rief er. »Wann war das?« forschte ich. »Einundsiebzig.« »Er wurde bei dem großen Erdbeben von 1887 zerstört«, erklärte ich. »Er war sehr alt.« Eine Weile herrschte Schweigen. Er hatte damit zu tun, vor seinen alten Augen den Jugendeindruck jenes märchenhaften Tempels am Meer heraufzubeschwören. »Die Treppe ist noch da«, kam ich ihm zu Hilfe. »Man kann sie überall vom Hafen aus sehen. Erinnern Sie sich an die kleine Insel rechter Hand, wenn man in den Hafen kommt?« Offensichtlich gab es dort wirklich eine (es hätte mir auch nichts ausgemacht, sie auf die linke Seite zu versetzen), denn er nickte. »Verschwunden«, sagte ich. »Nichts als Wasser, sieben Faden tief.« Ich hatte mir eine Atempause verschafft. Während er dem Lauf der Dinge nachhing, war ich damit beschäftigt, meine Geschichte zu Ende zu bringen. »Sie erinnern sich doch an das Zollgebäude in Bombay?« Er erinnerte sich daran. »Niedergebrannt bis zum Erdboden«, verkündete ich. »Kannten Sie Jim Wan?« wandte er sich wieder an mich. »Tot«, sagte ich. Aber ich hatte keine blasse Ahnung, wer Jim Wan war. Wieder drohte ich einzubrechen. »Erinnern Sie sich noch an Billy Harper in Shanghai?« fragte ich schnell zurück. Der alte Seemann strengte sich mächtig an, aber den Billy Harper meiner Phantasie konnte er in seinem nachlassenden Gedächtnis nicht finden. »Natürlich erinnern Sie sich an Billy Harper«, redete ich ihm zu. »Jeder kennt ihn doch. Er ist schon vierzig Jahre dort. Na, und er ist eben immer noch da.« Und dann geschah das Wunder. Der Seemann erinnerte sich an Billy Harper. Vielleicht gab es einen Billy Harper. Und vielleicht lebte er seit vierzig Jahren in Shanghai und war immer noch dort. Aber für mich war das neu. Eine geschlagene halbe Stunde unterhielten wir uns noch auf die gleiche Art und Weise. Schließlich erklärte er den Polizisten, ich sei der, für den ich mich ausgab, und nach einer Übernachtung und dem Frühstück wurde ich entlassen und konnte westwärts zu meiner verheirateten Schwester nach San Francisco ziehen. Doch kehren wir zu der Frau in Reno zurück, die mir in der Abenddämmerung die Tür öffnete. Sobald ich ihr freundliches Gesicht erblickte, fiel mir mein Stichwort ein. Ich wurde ein netter, unschuldiger, unglücklicher Junge. Ich konnte kein Wort herausbringen, ich öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Noch nie in meinem Leben hatte ich je mand um Essen angebettelt. Meine Verlegenheit war gewaltig und schmerzlich. Ich schämte mich. Ich, der ich die Bettelei als eine verrückte Laune betrachtete, verwandelte mich in einen braven Sohn sittenstrenger, wohlanständiger Eltern. Nur der bohrende Schmerz meines leeren Magens konnte mich zwingen, so etwas Erniedrigendes und Würdeloses zu tun, wie um Essen zu betteln. Ich suchte in mein Aussehen all die Wehleidigkeit hungergepeinigter und offenherziger Jugend zu legen, die ans Schnorren nicht gewöhnt ist. »Bist wohl hungrig, armer Junge?« fragte sie. Ich hatte erreicht, daß sie zuerst sprach. Ich nickte und schluckte. »Es ist das erste Mal..., ich habe noch nie gebettelt«, stammelte ich. »Komm nur herein.« Die Tür wurde weit geöffnet. »Wir sind mit dem Essen schon fertig, aber im Herd ist noch Feuer, und ich kann dir schnell etwas machen.« Sie sah mich genau an, als sie mich ins Helle geführt hatte. »Ich wünschte, mein Junge wäre so gesund und kräftig wie du«, sagte sie. »Aber er ist ganz und gar nicht kräftig. Er fällt mitunter. Gerade heut nachmittag ist er hingefallen und hat sich arg weh getan, der Ärmste.« Sie bemutterte ihn auch mit ihrer Stimme, in der eine unaussprechliche Zärtlichkeit mitschwang, deren teilhaftig zu werden ich mich sehnte. Ich blickte zu ihm hin. Er saß, mager und bleich, mit verbundenem Kopf hinter dem Tisch. Er bewegte sich nicht, aber die Augen, die im Lampenlicht leuchteten, starrten mich unentwegt und verwundert an. »Genau wie mein armer Vater«, sagte ich. »Er hatte die Fallsucht. Es war immer eine Art Schwindelanfall. Die Ärzte wußten nicht, was sie davon halten sollten. Sie konnten nie herausbekommen, was mit ihm eigentlich los war.« »Ist er gestorben?« erkundigte sie sich sanft und setzte mir ein halb Dutzend weichgekochter Eier vor. «Gestorben«, schluckte ich. »Vor zwei Wochen. Ich war gerade mit ihm unterwegs, als es passierte. Wir gingen eben über eine Straße. Er fiel einfach um. Er kam überhaupt nicht mehr zu sich. Man brachte ihn in eine Apotheke. Er starb dort.« Und dann spann ich die mitleiderregende Geschichte meines Vaters aus: wie er und ich, nach dem Tode meiner Mutter, von der Farm nach San Francisco gezogen waren, wie seine Invalidenrente (er war ein alter Soldat) und das bißchen Geld, das wir sonst hatten, nicht hin und her gelangt und wie er versucht hatte, Bücher zu vertreiben. Ich schilderte auch meine eigenen Leiden während der paar Tage nach seinem Tode, die ich allein und verloren in den Straßen von San Francisco verbracht hatte. Während die gute Frau Weißbrot röstete, Speck briet und noch mehr Eier kochte, und während ich mit ihr im Verzehren all dessen Schritt hielt, was sie mir vorsetzte, malte ich das Bild des ar men verwaisten Jungen aus und trug noch die näheren Einzelheiten nach. Ich wurde selbst dieser arme Junge. Ich glaubte an ihn, wie ich an die herrlichen Eier glaubte, die ich verschlang. Ich hätte selbst weinen können. Und ich weiß noch wie heute, daß meine Stimme manchmal tränenerstickt war. Es klang sehr wirkungsvoll. Für jeden Strich, den ich dem Bild zufügte, gab mir die gute Seele sogar noch etwas. Sie machte mir eine Wegzehrung fertig, die ich mitnehmen sollte. Sie packte mir viele gekochte Eier ein, Pfeffer und Salz und dergleichen mehr, und einen großen Apfel. Sie versah mich mit drei Paar dicken roten Wollsocken. Sie gab mir ein sauberes Taschentuch und noch verschiedenes, was ich inzwischen vergessen habe. Und die ganze Zeit über briet und brutzelte sie immer mehr, und ich aß immer mehr. Ich schlang alles in mich hinein wie ein Wilder, aber schließlich war die Fahrt über die Sierra, und noch dazu als blinder Passagier, reichlich lang, und ich hatte keine Ahnung, wann und wo ich meine nächste Mahlzeit finden würde. Und während der ganzen Zeit saß ihr eigener unglücklicher Junge still und reglos wie ein Totenschädel beim Festschmaus und starrte mich über den Tisch hinweg an. Ich vermute, ich verkörperte für ihn das Geheim nisvolle, das Romantische und Abenteuerliche - all das, was ihm mit seinem schwach flackernden Lebenslichtlein nicht vergönnt war. Und doch konnte ich nicht umhin, mich ein- oder zweimal zu fragen, ob er mich nicht durchschaute und auf den Grund meines verlogenen Herzens blickte. »Aber wohin willst du jetzt?« fragte sie mich. »Nach Salt Lake City«, sagte ich. »Ich habe dort eine Schwester - eine verheiratete Schwester.« (Ich überlegte, ob ich eine Mormonin aus ihr machen sollte, gab den Gedanken dann aber auf.) »Ihr Mann ist Klempner - er hat ein Bauklempnergeschäft.« Mir fiel allerdings ein, daß man gemeinhin annahm, Bauklempnereien scheffelten das Geld nur so. Aber gesagt hatte ich es nun eben. Jetzt hieß es, einige Abstriche zu machen. »Sie würden mir das Fahrgeld geschickt haben, wenn ich sie darum gebeten hätte«, erklärte ich. »Aber sie haben Krankheitsfälle gehabt und Schwierigkeiten im Geschäft. Sein Partner hat ihn betrogen. Und deshalb wollte ich nichts von dem Geld schreiben. Ich ließ sie in dem Glauben, daß ich genug Geld habe, um nach Salt Lake City zu kommen. Sie ist ein wunderbarer Mensch und so nett und freundlich. Sie war immer sehr lieb zu mir. Ich denke, ich werde in das Geschäft eintreten und den Beruf erlernen. Sie hat zwei Töchter. Die sind jünger als ich. Eine ist noch ein Baby.« Von allen meinen verheirateten Schwestern, die ich auf die Städte der Vereinigten Staaten verteilt habe, ist mir diese Schwester aus Salt Lake City die liebste. Sie kommt mir auch ganz real vor. Wenn ich von ihr erzähle, sehe ich sie vor mir mit ihren beiden kleinen Mädchen und ihrem Klempnergatten. Sie ist eine große mütterliche Frau, die just an der Grenze mildtätiger Vollschlankheit ist - von der Sorte, die immer etwas Gutes kochen und nie ärgerlich werden. Sie ist brünett. Ihr Mann ist ein ruhiger, umgänglicher Mensch. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich ihn recht gut kenne. Und wer weiß, vielleicht begegne ich ihm eines Tages sogar. Wenn jener alte Seemann sich an Billy Harper erinnern konnte, dann sehe ich nicht ein, warum ich nicht eines Tages den Mann meiner Schwester aus Salt Lake City tref fen sollte. Andererseits habe ich allerdings die innere Gewißheit, daß ich niemals meinen vielen Eltern und Großeltern leib haftig begegnen werde - weil ich sie doch immer sterben lasse. Ein Herzleiden war mir die liebste Art, meine Mutter loszuwerden, wenn ich sie gelegentlich auch durch Schwindsucht, Lungenentzündung oder Typhus aus der Welt schaffte. Es stimmt, wie die Polizisten aus Winnipeg bestätigen werden, daß ich Großeltern in England habe; aber das ist schon lange her, und ich darf mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß sie tot sind. Jedenfalls haben sie mir nie geschrieben. Ich hoffe, jene Frau in Reno liest diese Zeilen und wird mir meine Schamlosigkeit und Unaufrichtigkeit verzeihen. Ich entschuldige mich nicht, denn ich bin schamlos. Es war die Jugend, die Lebensfreude und die Sucht, etwas zu erleben, die mich an ihre Tür brachten. Das hat mir gut getan. Ich lernte die der menschlichen Natur angeborene Güte kennen. Ich hoffe, daß es ihr auch gut getan hat. Jedenfalls mag sie jetzt vielleicht herzlich darüber lachen, wenn sie die Wahrheit über die Situation damals erfährt. Sie hielt meine Geschichte für echt. Sie glaubte an mic hund meine ganze Familie, und sie war von Sorge erfüllt wegen der gefährlichen Reise, die ich zu überstehen hatte, ehe ich Salt Lake City erreichte. Ihre Besorgtheit hätte mir fast Kummer bereitet. Gerade als ich losziehen wollte, die Arme voller Pakete mit Essen und die Taschen von den dicken Wollsocken ausgebeutelt, fiel ihr ein Neffe oder Onkel oder irgendein anderer Verwandter ein, der im Bahnpostdienst war und der außerdem gerade an jenem Abend und genau mit dem Zug, mit dem ich heimlich wegfahren wollte, hier auf der Strecke durchkommen sollte. Das hatte mir noch gefehlt! Sie wollte mich zum Bahnhof begleiten, ihm meine Geschichte erzählen und ihn überreden, mich im Packwagen zu verstecken. Dann könnte ich ohne Gefahr und ohne Mühe glatt bis nach Ogden mitfahren. Von dort waren es bloß noch ein paar Meilen bis Salt Lake City. Mir rutschte das Herz in die Hosen. Sie ereiferte sich richtig für ihren Plan, und obwohl mir das Herz sonstwohin sank, mußte ich grenzenlose Freude und Begeisterung heucheln für diese Lösung meiner Schwierigkeiten. Lösung! Wo ich doch in jener Nacht nach Westen wollte, und da war ich nun gefangen und mußte nach Osten fahren. Es war eine richtige Falle, und ich hatte nicht den Mut, ihr zu sagen, daß alles eine elende Lüge gewesen war. Und während ich sie glauben machte, daß ich entzückt sei, zermarterte ich mir das Hirn nach einem Ausweg. Aber es gab keinen. Sie würde mich schon in den Postwagen bringen, redete sie sich ein, und dieser mit ihr verwandte Postangestellte würde mich nach Ogden schaffen. Und dann konnte ich zusehen, wie ich den Weg zurückkam - und das all die Hunderte von Meilen durch die Wüste. Aber das Glück war mir in jener Nacht hold. Gerade in dem Moment, als sie sich ihren Hut aufsetzen wollte, um mich zum Bahnhof zu begleiten, stellte sie fest, daß sie sich geirrt hatte. Ihr Verwandter von der Post sollte in jener Nacht gar nicht hier durchfahren. Sein Streckenplan hatte sich ja geändert. Er würde erst zwei Nächte später ankommen. Ich war gerettet, denn natürlich wollte mir mein ju gendlicher Eifer nicht gestatten, noch zwei Tage zu warten. Ich versicherte ihr voller Optimismus, daß ich schneller nach Salt Lake City kommen würde, wenn ich sofort aufbräche, und so zog ic h los, während mir ihre Segenssprüche und guten Wünsche noch in den Ohren klangen. Aber ihre Wollsocken waren großartig. Das weiß ich noch genau. Ich trug in jener Nacht auf dem »blinden« Gepäckwagen des Fernzuges ein Paar davon, und dieser Überlandzug fuhr nach Westen.
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