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Рассказ «Тайна Боскомской долины» (Das Rätsel im Boscombe-Valley) на немецком языке

Рассказ «Тайна Боскомской долины» (Das Rätsel im Boscombe-Valley) на немецком языке – читать онлайн, автор книги – Артур Конан Дойль. Этот рассказ также входит в сборник Артура Конан Дойля «Приключения Шерлока Холмса» (эти рассказы стали очень популярными среди читателей Великобритании, а позже были переведены на многие самые распространённые языки мира).

Остальные рассказы и повести, которые написал Артур Конан Дойль, а также произведения других известных писателей вы найдёте в разделе «Книги на немецком» (для детей есть раздел «Сказки на немецком»).

Для самостоятельно изучающих немецкий язык по фильмам создан раздел «Фильмы на немецком», а для детей – «Мультфильмы на немецком».

Для тех, кто хочет учить немецкий язык не только самостоятельно, но и с преподавателем, есть информация на странице «Немецкий по скайпу».

 

Теперь возвращаемся к чтению рассказа «Тайна Боскомской долины» (Das Rätsel im Boscombe-Valley) на немецком языке, автор – Артур Конан Дойль.

 

Das Rätsel im Boscombe-Valley

 

Meine Frau und ich saßen eines Morgens beim Frühstück, als unser Hausmädchen ein Telegramm hereinbrachte. Es war von Sherlock Holmes und lautete folgendermaßen:

›Können Sie sich für zwei Tage frei machen? Bin eben aus dem Westen Englands wegen der Tragödie im Tal von Boscombe gerufen worden. Würde mich freuen, wenn Sie mitkämen. Luft und Gegend tadellos. 11 15 Uhr ab Paddington‹

"Was sagst du dazu, Lieber", fragte meine Frau und blickte mich an, "wirst du fahren?"

"Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Ich habe gerade jetzt ein großes Pensum."

"Oh, Anstruther würde dich in der Arbeit vertreten. Du siehst in letzter Zeit ein bißchen blaß aus. Ich denke, daß dir die Veränderung gut täte, und Sherlock Holmes' Fälle haben dich doch seit je interessiert."

"Es wäre undankbar, wenn sie mich nicht interessierten, da mir mit dir doch stets vor Augen steht, was ich durch einen der Fälle gewonnen habe", antwortete ich. "Aber wenn ich mitfahren will, muß ich sofort packen, denn es bleibt nur noch eine halbe Stunde Zeit." Das Militärleben in Afghanistan hatte mir wenigstens den Vorteil eingetragen, daß ich ein jederzeit reisebereiter Mensch geworden war. Meine Ansprüche sind gering und einfach. So saß ich bald mit meiner Reisetasche in einer Kutsche und rollte in Richtung Paddington Station. Sherlock Holmes ging auf dem Bahnsteig hin und her, seine hohe hagere Gestalt wirkte durch den langen grauen Reisemantel und die knappsitzende Tuchmütze noch dünner und länger als sonst. "Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Watson", sagte er. "Ich fühle mich gleich sicherer, wenn jemand bei mir ist, auf den ich mich völlig verlassen kann. Hilfe vom Ort ist entweder wertlos oder irgendwie vorbelastet. Wenn Sie diese beiden Eckplätze belegen wollen, hole ich die Fahrkarten." Wir hatten das Abteil für uns, von einem gewaltigen Haufen Papier, den Holmes mitgebracht hatte, abgesehen. Darin wühlte und las er herum, legte nur Pausen ein, um Notizen zu machen und nachdenkend vor sich hin zu starren, bis wir Reading hinter uns hatten. Dann rollte er plötzlich alles zu einem gigantischen Knäuel zusammen, das er ins Gepäcknetz warf. "Haben Sie schon von dem Fall gehört?" fragte er. "Nicht ein Wort. Ich habe seit mehreren Tagen keine Zeitung gesehen."

"Die Londoner Presse hat keine besonders ausführlichen Berichte gebracht. Ich habe eben die neuesten Zeitungen durchgesehen, um die Einzelheiten zusammenzubekommen. Es scheint nach dem, was ich entnehmen konnte, einer von den einfachen Fällen zu sein, die so außerordentlich schwierig sind."

"Das klingt ein bißchen paradox."

"Aber es ist zutiefst wahr. Einmaligkeit liefert in der Regel einen Schlüssel. Je gesichtsloser und gewöhnlicher ein Verbrechen ist, desto schwieriger wird es, es unter Dach und Fach zu bringen. In diesem Fall hat man eine sehr schwerwiegende Beschuldigung gegen den Sohn eines ermordeten Mannes erhoben." "Ist es denn Mord?"

"Man nimmt es an. Ich werde nichts für erwiesen halten, bis ich selbst die Gelegenheit gehabt habe, Einblick zu gewinnen. Ich will Ihnen den Stand der Dinge, soweit ich ihn zu verstehen vermag, mit wenigen Worten erklären. Boscombe Valley ist ein ländlicher Bezirk, nicht sehr weit von Ross in Herefordshire entfernt. Der größte Grundbesitzer in dieser Gegend ist Mr. John Turner, der sein Geld in Australien gemacht hat und vor wenigen Jahren in die alte Heimat zurückgekehrt ist. Eine seiner Farmen, die in Hatherley, wurde an Mr. Charles McCarthy verpachtet, auch ein ehemaliger Australier. Die Männer kannten sich schon in der Kolonie und so war es nicht unnatürlich, daß sie, als sie sich hier niederließen, es so nahe wie möglich taten. Turner war anscheinend der reichere Mann und so wurde McCarthy sein Pächter, aber sie verkehrten, wie es den Anschein hat, miteinander auf dem Fuß völliger Gleichheit. McCarthy hat einen Sohn, einen Burschen von achtzehn, und Turner besitzt eine einzige Tochter im selben Alter; eine Frau haben beide nicht mehr. Es sieht so aus, als hätten sie die Gesellschaft der benachbarten englischen Familien gemieden und zurückgezogen gelebt, aber die sportbegeisterten McCarthys wurden häufig bei Rennen in der Umgebung gesehen. McCarthy hielt sich zwei Bedienstete, einen Mann und ein Mädchen. Turner hat einen beachtlichen Haushalt, mindestens ein halbes Dutzend Leute. Soviel konnte ich über die Familien zusammenbekommen. Jetzt zu den Tatsachen. Am 3. Juni, das war am letzten Montag, verließ McCarthy gegen drei Uhr nachmittags sein Haus in Hatherley und ging zum Weiher von Boscombe. Das ist ein kleiner See, gebildet von dem Fluß, der durch das Tal fließt. Am Morgen war er mit seinem Bediensteten in Ross gewesen und hatte dem Mann gesagt, er sei in Eile, weil er eine wichtige Verabredung um drei Uhr wahrnehmen müsse. Von dieser Verabredung kam er nicht lebend zurück. Von der Hatherley -Farm bis zum Weiher von Boscombe ist es eine Viertelmeile, und zwei Leute haben ihn, auf dem Weg gesehen. Es handelt sich um eine alte Frau, deren Name nicht erwähnt wurde und der andere ist William Crowder, ein bei Mr. Turner angestellter Wildhüter. Die beiden Zeugen behaupten, Mr. McCarthy sei allein gegangen. Der Wildhüter fügte hinzu, daß einige Minuten, nachdem er Mr. McCarthy gesehen habe, dessen Sohn, James McCarthy, denselben Weg entlanggekommen sei, unterm Arm ein Gewehr. Wie er sich erinnern will, war der Vater noch in Sicht, als der Sohn folgte, Er dachte nicht mehr an die Angelegenheit, bis er am Abend von dem tragischen Geschehen hörte. Die beiden McCarthys wurden auch später noch gesehen, als William Crowder, der Wildhüter, sie aus den Augen verloren hatte. Der Weiher von Boscombe ist von dichtem Wald umgeben, am Ufer gibt es einen Streifen Gras und Schilf. Ein vierzehnjähriges Mädchen, Patience Moran, die Tochter des Aufsehers vom Gut war im Wald und pflückte Blumen. Sie sagt aus, daß sie am Rand des Waldes dicht beim Weiher Mr. McCarthy und seinen Sohn gesehen habe und daß sie einen heftigen Streit auszutragen schienen. Sie hörte, daß der ältere McCarthy sehr harte Worte gegen den Sohn gebrauchte, und den letzteren sah sie die Hand erheben, als wolle er seinen Vater schlagen. Die Gewalttätigkeit machte ihr solche Angst, daß sie wegrannte, und als sie zu Hause ankam, erzählte sie ihrer Mutter, daß sie vor den beiden streitenden McCarthys weggelaufen sei und daß sie befürchtet habe, sie würden aufeinander losgehen. Sie hatte kaum zu Ende erzählt, als der junge McCarthy auf ihr Haus zugelaufen kam und rief, er habe seinen Vater tot im Wald gefunden, und den Aufseher um Hilfe bat. Er war sehr erregt, ohne Gewehr und Hut und man sah, daß seine rechte Hand und der Ärmel mit frischem Blut bespritzt waren. Sie folgten ihm und fanden die Leiche des Vaters im Gras neben dem Weiher. Der Kopf war ( durch wiederholte Schläge mit einem schweren stumpfen Gegenstand eingeschlagen worden. Die Verletzungen konnten sehr wohl vom Kolben der Flinte des Sohns herrühren, die wenige Schritte von der Leiche entfernt im Gras lag. Unter diesen Umständen wurde der junge Mann sofort verhaftet und da am Dienstag bei der Voruntersuchung auf vorsätzlichen Mord erkannt worden ist, hat man ihn am Mittwoch der Staatsanwaltschaft in Ross übergeben, die den Fall vor die nächste Sitzung des Schwurgerichts bringen will. Das sind die Hauptfakten des Falles, wie sie sich vor dem Coroner und im Gerichtshof herausstellten."

"Ich kann mir kaum einen abscheulicheren Fall vorstellen", bemerkte ich. "Wenn je die Umstände auf einen Verbrecher deuteten, dann hier."

"Ein aus den Umständen abgeleiteter Beweis ist eine äußerst vertrackte Angelegenheit", antwortete Holmes gedankenvoll. "Er mag direkt auf nur eine Möglichkeit hinweisen, aber wenn Sie den Blickwinkel ein bißchen verändern, können Sie erleben, daß er genauso eindeutig auf etwas ganz anderes zeigt. Dennoch ist davon auszugehen, daß der Fall für den jungen Mann sehr ernst aussieht und es ist sehr wohl möglich, daß er tatsächlich schuldig ist. Es gibt allerdings eine Reihe von Leuten in der Gegend, unter ihnen Miss Turner, die Tochter des Grundbesitzers, die an seine Unschuld glauben und sie haben Lestrade, an den Sie sich wohl aus dem Fall ›Späte Rache‹ erinnern, verpflichtet, den Fall in seinem Interesse zu klären. Der ziemlich ratlose Lestrade hat die Sache mir angetragen und das ist der Grund, weshalb jetzt zwei Gentlemen mittleren Alters mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Meilen in der Stunde westwärts fliegen, statt nach dem Frühstück zu Hause etwas zu ruhen."

"Ich befürchte", sagte ich, "die Fakten sind so offensichtlich, daß Sie wenig Ruhm mit diesem Fall ernten können." "Nichts täuscht mehr als eine offensichtliche Tatsache", antwortete er lachend. "Außerdem könnten wir zufällig auf andere offensichtliche Tatsachen stoßen, die für Mr. Lestrade keineswegs offensichtlich gewesen sind. Sie kennen mich zu gut, als daß Sie annehmen dürften, ich wollte mich brüsten, wenn ich sage, ich werde seine Theorie entweder bestätigen oder zerstören und zwar mit Mitteln, die er entweder nicht anwenden kann oder die er vielleicht nicht einmal versteht. Um es etwas zu veranschaulichen: Für mich ist völlig klar, daß sich in Ihrem Schlafzimmer das Fenster auf der rechten Seite befindet, aber ich zweifle, ob Mr. Lestrade eine so unverkennbare Sache bemerkt haben würde." "Was in aller Welt.. !"

"Mein lieber Freund, ich kenne Sie gut. Ich weiß auch um die militärische Korrektheit, die Sie auszeichnet. Sie rasieren sich jeden, Morgen, und in dieser Jahreszeit rasieren Sie sich im Sonnenlicht, aber da Ihre Rasur immer nachlässiger wird, je weiter wir nach links kommen, bis sie über der Kinnlade nachgerade schlampig erscheint, ist es ganz klar, daß auf diese Seite weniger Licht fällt als auf die andere. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Mann mit Ihren Gewohnheiten sich mit solch einem Resultat zufrieden gibt, wenn er sich bei gleichmäßigem Licht betrachtete. Ich führe das nur als ein gewöhnliches Beispiel für Beobachtung und Folgerung an. Das ist mein Metier, und es ist sehr wohl möglich, daß wir bei der bevorstehenden Untersuchung Nutzen daraus ziehen. Aus der Voruntersuchung ergeben sich ein paar kleine Fragen, die es wert sind, berücksichtigt zu werden." "Und die wären?"

"Es scheint, daß die Verhaftung nicht sofort stattgefunden hat, sondern erst nach der Rückkehr des jungen Mannes auf die Farm. Dem Inspektor gegenüber, der ihm mitteilte, daß er verhaftet sei, bemerkte er, das verwundere ihn nicht und er habe es nicht anders verdient. Die Bemerkung hatte natürlich den Effekt, auch die letzten Zweifel auszuräumen, die bei der Jury des Coroners vielleicht noch geblieben waren."

"Es war ein Geständnis", platzte ich heraus. "Nein, denn es folgte eine Unschuldsbeteuerung."

"Nach einer derart belastenden Serie von Ereignissen war das doch wohl eine höchst unglaubwürdige Erklärung."

"Im Gegenteil", sagte Holmes, "es ist der hellste Streif am Horizont, soweit ich gegenwärtig sehen kann. Wie unschuldig auch einer sein mag, ein so absoluter Idiot kann er nicht sein, daß er nicht begreift, wie sehr die Umstände gegen ihn sprechen. Hätte er sich wegen der Verhaftung überrascht gezeigt oder den Entrüsteten gespielt, käme mir das höchst verdächtig vor, denn solch eine Überraschung oder solch eine Entrüstung wären unter den gegebenen Umständen nicht natürlich gewesen, sondern die beste Taktik eines Mannes, der nach Plan handelt. Daß er sich ohne weiteres in seine Lage schickte, läßt in ihm einen Unschuldigen oder jemanden mit bemerkenswerter Selbstbeherrschung und Festigkeit vermuten. Was seine Äußerung betrifft, er verdiene es nicht anders, so kann sie nicht überraschen, wenn Sie bedenken: Er hat neben der Leiche seines Vaters gestanden und es gibt keinen Zweifel daran, daß er an dem Tag seinen Sohnesgehorsam soweit vergessen hatte, heftige Worte gegen seinen Vater zu schleudern und sogar, wenn man dem so wichtigen Zeugnis des kleinen Mädchens folgen will, seine Hand zu erheben, als hätte er ihn schlagen wollen. Der Selbstvorwurf und die Reue, die seine Worte erkennen lassen, scheinen mir eher Anzeichen für einen gesunden Verstand als für ein schlechtes, Gewissen." Ich schüttelte den Kopf. "Viele sind auf schwächere Beweise hin gehängt worden", bemerkte ich. "Das stimmt. Und viele sind unschuldig gehängt worden."

"Wie erzählt der junge Mann selber den Hergang?"

"Das, fürchte ich, ist für seine Anhänger nicht sehr ermutigend, obgleich darin ein oder zwei bedenkenswerte Punkte enthalten sind. Sie finden es hier und können es selber lesen." Er suchte aus dem Bündel eine Nummer des Lokalblattes von Herefordshire heraus, und nachdem er die Seite überflogen hatte, wies er auf den Abschnitt, in dem der junge Mann die Vorkommnisse darstellte. Ich setzte mich in die Ecke des Abteils und las aufmerksam. Da stand folgendes:

›Mr. James McCarthy, der einzige Sohn des Toten, wurde aufgerufen und gab zu Protokoll: Ich war drei Tage lang von Hause fort, in Bristol, und gerade am Morgen des vergangenen Montags, dem 3. zurückgekommen. Mein Vater befand sich zur Zeit meiner Ankunft nicht im Haus, und ich wurde vom Dienstmädchen davon unterrichtet, daß er mit John Cobb, dem Stallknecht, nach Ross gefahren sei. Kurz danach hörte ich die Räder seines Wagens im Hof, und ich sah, als ich durchs Fenster blickte, wie er ausstieg und den Hof schnell verließ; ich wußte aber nicht, wohin er ging. Dann nahm ich mein Gewehr und schlenderte zum Weiher von Boscombe. Ich wollte zum Kaninchengehege auf der anderen Seite des Sees. Unterwegs sah ich William Crowder, den Wildhüter, wie der es auch in seiner Aussage festgestellt hat. Aber er irrt sich, wenn er denkt, ich wäre meinem Vater gefolgt. Ich hatte keine Ahnung, daß er vor mir war. Ich war noch ungefähr hundert Yard vom Teich entfernt, als ich den Ruf Cooee! hörte; das war das Signal, mit dem wir uns gewöhnlich verständigten. Ich lief los und traf ihn am Weiher. Er schien sehr überrascht, mich zu sehen und fragte mich ziemlich grob, was ich da suchte. Es ergab sich ein Gespräch, das zu heftigen Worten führte und fast zu Schlägen, denn mein Vater war ein Mann von gewalttätiger Natur. Als ich merkte, daß er seinen Ausbruch nicht zügeln konnte, verließ ich ihn und ging in Richtung Hatherley- Farm. Ich war nicht weiter als einhundertfünfzig Yard entfernt, da hörte ich hinter mir einen Schrei, der mich veranlaßte zurückzulaufen. Ich fand meinen Vater in seinen letzten Atemzügen am Boden liegen, sein Kopf war furchtbar zugerichtet. Ich ließ mein Gewehr fallen und nahm ihn in die Arme, aber er hauchte unmittelbar darauf sein Leben aus. Ich kniete einige Minuten neben ihm und machte mich dann auf den Weg zu Mr. Turners Aufseher, weil sein Haus am nächsten lag, um Hilfe zu holen. Ich habe, als ich zu meinem Vater zurückkehrte, niemanden gesehen und kann mir nicht erklären, wie er zu den Verletzungen gekommen ist. Er war nicht beliebt, wegen seines ziemlich kalten und abstoßenden Betragens; aber soviel ich weiß, hatte er keine direkten Feinde. Mehr weiß ich nicht. Coroner: Hat Ihr Vater zu Ihnen noch gesprochen, ehe er starb? Zeuge: Er murmelte einige Worte, aber ich habe nur etwas wie Ratte verstanden. Coronet: Was haben Sie daraus entnommen? Zeuge: Es ergab für mich keinen Sinn. Ich dachte, er phantasiert. Coroner: Um was ging es in dem letzten Streit zwischen Ihrem Vater und Ihnen? Zeuge: Darauf möchte ich nicht antworten. Coroner: Ich fürchte, ich muß auf einer Antwort bestehen. Zeuge: Ich kann es Ihnen wirklich nicht sagen. Aber ich ve rsichere Ihnen, daß es nichts zu tun hat mit der Tragödie, die dann folgte. Coroner: Darüber wird das Gericht entscheiden. Ich brauche Sie wohl nicht darauf hinzuweisen, daß Ihre Weigerung, diese Frage zu beantworten, Sie in allen künftigen Verhandlungen erheblich belasten wird. Zeuge: Ich muß trotzdem ablehnen. Coroner: Habe ich recht verstanden, daß der Schrei ,Cooee! ein zwischen Ihnen und Ihrem Vater übliches Signal war? Zeuge: Ja. Coroner: Wie kam es denn, daß er ihn ausstieß, ehe er Sie sah und überhaupt wußte, daß Sie aus Bristol zurückgekehrt waren? Zeuge: (in erheblicher Verwirrung) Das weiß ich nicht. Ein Beisitzer: Haben Sie nichts gesehen, das Ihren Verdacht erregte, als Sie zurückgingen, nachdem Sie den Schrei gehört hatten und Ihren Vater tödlich verletzt fanden? Zeuge: Nichts Bestimmtes. Coroner: Was meinen Sie damit?

Zeuge: Ich war so durcheinander und aufgeregt, als ich aus dem Wald stürzte, daß ich an nichts als an meinen Vater denken konnte. Ich habe jedoch eine vage Vorstellung, daß ich an etwas vorbeilief, das links von mir auf dem Boden lag. Es schien mir etwas Graues zu sein, vielleicht ein Mantel oder ein Plaid. Als ich wieder von meinem Vater aufstand und mich danach umsah, war es aber fort. Coroner: Sie meinen, daß es verschwand, ehe Sie gingen, Hilfe zu holen? Zeuge: Ja, es, war fort. Coroner: Sie können nicht sagen, was es war? Zeuge: Nein, ich hatte nur ein Gefühl, daß da etwas war. Coroner: Wie weit vom Leichnam entfernt? Zeuge: Vielleicht ein Dutzend Yard. Coroner: Und wie weit vom Waldrand? Zeuge: Ungefähr genauso weit. Coroner: Sie hatten also zu dem Gegenstand, der dann entfernt wurde, zwölf Yard Abstand? Zeuge: Ja, aber das war hinter meinem Rücken. Hiermit schloß das Verhör des Zeugen.

"Ich sehe", sagte ich, während ich den Artikel zu Ende überflog, "daß sich der Coroner in seinem Schlußwort sehr hart gegen den jungen McCarthy ausgesprochen hat. Er fordert, und zwar begründet, den Widerspruch zu beachten, der darin liegt, daß der Vater ihn angeblich durch das Signal gerufen haben soll, bevor er ihn sah, und ebenso die Weigerung, Einzelheiten des Gesprächs mit dem Vater mitzuteilen, sowie den sonderbaren Bericht über des Vaters letzte Worte. Dies alles spricht sehr, wie er bemerkt, gegen den Sohn."

Holmes lachte leise Vor sich hin und reckte sich auf seinem Polstersitz.

"Ihr beiden, Sie und der Coroner, gebt euch beträchtliche Mühe", sagte er, "die stärksten Punkte, die für den jungen Mann sprechen, herauszuklauben. Sehen Sie nicht, daß Sie ihm einerseits zuviel, andererseits zuwenig Phantasie zutrauen? Zuwenig, wenn Sie glauben, er hätte nicht einen Streitanlaß erfinden können, um die Sympathie der Jury zu erlangen; zuviel, wenn Sie etwas so outre wie die Erwähnung einer Ratte durch einen Sterbenden und den Zwischenfall mit dem verschwundenen Kleidungsstück für etwas anderes als für eine gewissenhafte Angabe halten. Nein, Sir, ich muß an diesen Fall von dem Standpunkt aus herangehen, daß es wahr ist, was der junge Mann sagt und wir werden sehen, wohin uns diese Annahme führt. Und nun werde ich mich in meinen Taschen-Petrarca vertiefen und über den Fall kein Wort mehr sagen, bis wir am Ort des Geschehens sind. In Swindon werden wir lunchen, ich sehe gerade, daß wir in zwanzig Minuten dort sind."

Es war fast vier Uhr, als wir schließlich nach einer Fahrt durch das schöne Tal von Stroud und über den breiten glitzernden Severn in dem hübschen Landstädtchen Ross ankamen. Bin dünner Mann, der verstohlen und schlau wie ein Frettchen aussah, erwartete uns auf dem Bahnsteig. Trotz des hellbraunen Staubmantels und der Ledergamaschen, die er mit Rücksicht auf die ländliche Umgebung trug, bereitete es mir keine Schwierigkeiten, in ihm Lestrade von Scotland Yard wiederzuerkennen. Mit ihm fuhren wir zum ›Hereford Arms‹, wo bereits ein Zimmer für uns bestellt war.

"Ich habe einen Wagen herbeordert", sagte Lestrade, als wir bei einer Tasse Tee saßen. "Ich kenne Ihre energische Natur und weiß, daß Sie nicht glücklich sind, ehe Sie den Ort des Verbrechens gesehen haben." "Sie sind sehr nett und entgegenkommend", antwortete Holmes. "Es ist nur eine Frage des Barometerdrucks."

Lestrade sah ihn verdutzt an.

"Ich kann nicht ganz folgen", sagte er. "Was zeigt das Barometer an? Neunundzwanzig, sehe ich. Kein Wind, und nicht eine Wolke am Himmel. Ich habe eine Schachtel Zigaretten, die geraucht sein will und das Sofa ist sehr viel besser als die üblichen Abscheulichkeiten in Landhotels. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß ich den Wagen an diesem Abend noch brauche."

Lestrade lächelte nachsichtig.

"Kein Zweifel, Sie haben sich Ihre Ansichten bereits nach den Zeitungsberichten gebildet", sagte er. "Der Fall liegt sonnenklar, und je tiefer man sich hineinbegibt, desto klarer wird er. Dennoch darf man selbstverständlich einer Dame nicht widersprechen, zumal einer, die so bestimmt auftritt. Sie hat von Ihnen gehört und möchte Ihre Meinung erfahren, obwohl ich ihr wiederholt gesagt habe, daß Sie nichts tun könnten, was ich nicht bereits getan hätte. O weh, der Himmel schütze mich! Da ist ihr Wagen schon vor der Tür."

Er hatte kaum ausgesprochen, als eine der reizendsten jungen Frauen, die ich je in meinem Leben gesehen habe, in den Raum stürzte. Die veilchenfarbenen Augen leuchteten, der Mund war geöffnet, rosa Glut lag auf den Wangen, jeder Gedanke an natürliche Zurückhaltung schien aufgegeben; Aufregung und Sorge hatten sie überwältigt.

"Oh, Mr. Sherlock Holmes!" rief sie, blickte zwischen uns hin und her und entschied sich schließlich mit schneller weiblicher Auffassungsgabe für meinen Partner. "Ich bin so glücklich, daß Sie hier sind. Ich bin gekommen, Ihnen das zu sagen. Ich weiß, James hat es nicht getan. Ich weiß es, und ich möchte, daß Sie das auch am Beginn Ihrer Arbeit schon wissen. Bitte, zweifeln Sie in diesem Punkt nie. Wir kennen uns, seit wir kleine Kinder waren und ich kenne seine Fehler wie kein anderer; aber er hat ein so weiches Herz, daß er keiner Fliege ein Leid tun könnte. Eine solche Anklage ist absurd für jemanden, der ihn wirklich kennt!"

"Ich hoffe, wir können ihn frei bekommen, Miss Turner", sagte Sherlock Holmes. "Sie können sich darauf verlassen, daß ich alles mir Mögliche tun werde."

"Aber Sie haben die Beschuldigungen gelesen. Haben Sie schon Schlußfolgerungen gezogen? Sehen Sie nicht einen Ausweg, eine Rettung? Glauben Sie nicht selbst, daß er unschuldig ist?"

"Ich halte das für sehr möglich."

"Also!" rief sie, warf den Kopf herum und blickte triumphierend auf Lestrade. "Da hören Sie es! Er macht mir Hoffnung."

Lestrade zuckte die Schultern. "Ich fürchte, daß mein Kollege ein bißchen vorschnell mit seinen Schlüssen ist", sagte er. "Aber er hat recht. Oh! ich weiß, daß er recht hat. James hat es nie und nimmer getan. Und was den Streit mit seinem Vater angeht, ich bin gewiß, daß der Grund, weshalb er dem Coroner nichts sagen wollte, darin liegt, weil es mich betrifft."

"Inwiefern?" fragte Holmes. "Ich darf jetzt nichts mehr verbergen. James und sein Vater hatten meinetwegen viele Meinungsverschiedenheiten. Mr. McCarthy wollte so sehr, daß wir beide heiraten. James und ich haben uns immer liebgehabt, wie Brüder und Schwester, aber natürlich ist er jung und hat noch sehr wenig vom Leben gesehen, und, und... Nun, deshalb wollte er in dieser Beziehung jetzt noch nichts übernehmen. So gab es Streit, und der jetzt, bin ich sicher, war wieder so deiner." "Und Ihr Vater?" fragte Holmes. "War er für diese Verbindung?" "Nein, er war auch dagegen. Niemand außer Mr. McCarthy hat sie gewollt." Ihr frisches Gesicht wurde hochrot, als Holmes ihr einen seiner scharfen fragenden Blicke zuwarf.

"Ich danke Ihnen für die Information", sagte er. "Kann ich morgen Ihren Vater sprechen?"

"Ich fürchte, der Arzt wird es nicht erlauben."

"Der Arzt?"

"Ja, haben Sie denn nicht gehört? Mein armer Vater ist seit Jahren nicht kräftig, aber darüber ist er völlig zusammengebrochen. Man hat ihn ins Bett gebracht, und Dr. Willows sagt, daß er ein Wrack ist, daß sein Nervensystem zerrüttet ist. Mr. McCarthy war der einzige, der Papa seit den alten Tagen in Victoria kannte."

"So! Seit Victoria! Das ist wichtig."

"Ja, er war in den Minen."

"Richtig, in den Minen; dort hat, soviel ich weiß, Mr. Turner sein Geld erworben."

"Ja, das stimmt." "Ich danke Ihnen, Miss Turner. Sie haben mir wirklich geholfen."

"Sie geben mir Bescheid, wenn Sie morgen irgendwelche Neuigkeiten haben? Zweifellos werden Sie zu James ins Gefängnis gehen. Oh, Mr. Holmes, dann sagen Sie ihm bitte, ich weiß, daß er unschuldig ist."

"Ganz gewiß, Miss Turner."

"Ich muß jetzt nach Hause, denn Papa ist sehr krank, und ich fehle ihm, sowie ich weggehe. Auf Wiedersehen, und Gott möge Ihnen beistehen." Genauso schnell entschlossen, wie sie eingetreten war, eilte sie aus dem Raum und wir hörten die Räder ihres Wagens über die Straße rattern. "Ich schäme mich für Sie, Holmes", sagte Lestrade würdevoll nach einigen Minuten des Schweigens. "Warum erwecken Sie Hoffnungen, die Sie mit Sicherheit enttäuschen müssen? Ich habe kein übermäßig weiches Herz, aber das nenne ich grausam." "Ich glaube, ich weiß, wie ich James McCarthy frei bekomme", sagte Holmes. "Haben Sie die Erlaubnis, ihn im Gefängnis zu besuchen?"

"Ja, aber nur für Sie und mich."

"Dann muß ich meinen Entschluß über das Weggehen noch einmal überdenken. Bekommen wir noch einen Zug nach Hereford, um den Häftling heute abend zu sehen?"

"Natürlich."

"Dann nehmen wir ihn doch. Watson, ich fürchte, Sie werden es sehr langweilig finden, aber ich bin nur zwei Stunden fort." Ich begleitete sie zum Bahnhof, ging dann durch die Straßen der kleinen Stadt, kehrte schließlich ins Hotel zurück, legte mich aufs Sofa und versuchte, mich in einen Schmöker zu vertiefen. Die Intrige war aber, verglichen mit dem dunklen Geheimnis, in dem wir herumtappten, so lahm und schwach, daß meine Aufmerksamkeit ständig von der Fiktion zum Faktischen hinwanderte, und so warf ich den Roman schließlich quer durchs Zimmer und gab mich ganz dem Überdenken der Ereignisse des Tages hin. Angenommen, die Geschichte dieses unglücklichen jungen Mannes stimmte in allem: Was für eine teuflische Sache, was für ein ganz und gar unvorhergesehenes und außergewöhnliches Unheil konnte sich in der Zeit zwischen seinem Weggehen von dem Vater und dem Augenblick, da er, von den Schreien zurückgezogen, auf die Uferwiese stürzte, zugetragen haben? Es war etwas Schreckliches und Tödliches. Aber was mochte es sein? Konnte nicht die Art der Verletzungen meinem medizinischen Spürsinn etwas entschleiern? Ich klingelte und bat um das wöchentlich erscheinende Lokalblatt, das die wörtliche Wiedergabe der Vernehmung enthielt. In der Aussage des Chirurgen war festgestellt, daß das hintere Drittel des linken Scheitelbeins und die linke Hälfte des Hinterhauptknochens durch einen heftigen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand zerschmettert worden waren. Ich tastete diese Stelle auf meinem eigenen Kopf ab. Es war klar: Ein solcher Schlag mußte von hinten geführt worden sein. Das sprach in mancher Beziehung für den Angeklagten, denn als er gesehen wurde, wie er stritt, stand er dem Vater gegenüber. Aber das wog nicht sonderlich schwer, denn der ältere Mann konnte sich umgedreht haben, ehe der Schlag fiel. Dennoch war es vielleicht nützlich, Holmes' Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Schließlich gab es die Bemerkung des Sterbenden über die Ratte, Was mochte sie bedeuten? Delirium konnte es nicht sein. Ein Mann, der durch einen plötzlichen Schlag stirbt, deliriert im allgemeinen nicht. Nein, eher anzunehmen war, daß die Worte ein Versuch sein sollten, zu erklären, wie ihn sein Schicksal ereilt hatte. Worauf konnten sie hinweisen? Ich zerbrach mir den Kopf, um eine mögliche Erklärung zu finden. Und dann der Zwischenfall mit dem grauen Kleidungsstück, das der junge McCarthy gesehen hatte. Wenn das stimmte, mußte der Mörder irgendeinen Teil seiner Kleidung, vermutlich den Mantel, auf der Flucht fallen lassen und dann die Dreistigkeit besessen haben, zurückzukehren, um es wegzuholen, und zwar in dem Augenblick, als der Sohn, nicht einmal ein Dutzend Schritte entfernt, den Rücken ihm zugewandt, bei seinem Vater kniete. Welch ein Gewebe aus Geheimnissen und Unwahrscheinlichkeiten! Ich wunderte mich nicht über Lestrades Meinung, und doch hatte ich so viel Vertrauen in Sherlock Holmes' Scharfsinn, daß ich so lange die Hoffnung nicht aufgab, wie jede neue Tatsache seine Überzeugung von der Unschuld des jungen McCarthy zu bestärken schien. Es wurde spät, ehe Sherlock Holmes zurückkehrte. Er kam allein, Lestrade hatte sich ein Zimmer in der Stadt genommen. "Das Barometer steht unverändert sehr hoch", bemerkte er. während er sich hinsetzte. "Es ist wichtig, daß es nicht regnet, ehe wir die Wiese in Augenschein genommen haben. Andererseits sollte ein Mann in der besten Verfassung sein, wenn er an eine so heikle Arbeit geht und ich möchte sie nicht antreten, wenn ich durch eine lange Reise ermattet bin. Ich habe den jungen McGarthy getroffen."

"Und was haben Sie von ihm erfahren?" "Nichts." "Hat er kein Licht in die Angelegenheit bringen können?" "Überhaupt keins. Einmal war ich kurz geneigt anzunehmen, er wisse, wer es getan hat und schützte ihn oder sie. Aber jetzt bin ich davon überzeugt, daß er wie alle vor einem Rätsel steht. Er ist kein sehr aufgeweckter Junge, doch angenehm anzusehen und, glaube ich, von Herzen gut."

"Seinen Geschmack kann ich nicht bewundern", bemerkte ich, "wenn es tatsächlich stimmt, daß er gegen eine Heirat mit einer so bezaubernden jungen Dame wie dieser Miss Turner war."

"Ach, daran hängt eine ziemlich schmerzliche Geschichte. Der Bursche ist wahnsinnig in sie verliebt, aber vor zwei Jahren, als er noch ein grüner Junge war und sie noch nicht richtig gekannt hat - denn sie ist fünf Jahre lang in einem Internat gewesen - was tat da der Idiot? Er ließ sich von einer Bardame in Bristol einfangen und hat sie standesamtlich geheiratet! Niemand weiß das geringste von der Sache, aber Sie können sich vorstellen, wie ihn das verrückt machen mußte, Vorwürfe für etwas einzustecken, das er gar zu gern getan hätte und wovon er wußte, daß das ganz unmöglich war. Die reine Raserei hat ihm die Hände hochgerissen, als sein Vater bei ihrem letzten Gespräch ihn drängte, um Miss Turner anzuhalten. Andererseits fehlten ihm die Mittel, sein Leben selber zu bestreiten und sein Vater, der nach allem, was man hört, ein sehr harter Mann war, würde mit ihm gänzlich gebrochen haben, wenn er die Wahrheit erfahren hätte. Mit ebendieser Bardame, die seine Frau ist, verbrachte er die letzten drei Tage in Bristol und sein Vater hatte nicht gewußt, wo er war. Behalten Sie das im Gedächtnis. Es ist wichtig. Dennoch ist Gutes aus Bösem gekommen, denn die Bardame, als sie in den Zeitungen las, daß er sich in ernsten Ungelegenheiten befindet und in Gefahr schwebt, gehängt zu werden, hat ihm den Laufpaß gegeben und geschrieben, sie besitze bereits einen Ehemann in Bermuda- Docks, so daß es keine wirkliche Bindung zwischen ihnen gebe. Ich glaube, daß diese kleine Neuigkeit den jungen McCarthy bei allem Leid getröstet hat." "Aber wenn er unschuldig ist, wer hat es dann getan?"

"Ja, wer? Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit besonders auf zwei Punkte lenken. Der eine ist, daß der Ermordete eine Verabredung am Teich hatte und daß der Erwartete sein Sohn nicht sein konnte, denn der war weg und er wußte nicht, wann er zurückkehren würde. Der zweite Punkt ist der, daß man den Ermordeten ›Cooee‹ schreien hörte, ehe er wußte, daß sein Sohn wieder da war. Das sind die entscheidenden Punkte, von denen der Fall abhängt. Und nun lassen Sie uns über George Meredith sprechen, wenn es Ihnen beliebt, und die weniger wichtigen Punkte bis morgen ruhen."

Es regnete nicht, wie Holmes vorausgesagt hatte und der Morgen brach hell und wolkenlos an. Um neun Uhr kam Lestrade mit dem Wagen, und wir fuhren zur Hatherley-Farm und zum Weiher von Boscombe.

"Es gibt wichtige Neuigkeiten", bemerkte Lestrade. "Es heißt, der Gutsherr, Mr. Turner, sei so krank, daß man um sein Leben fürchte."

"Ein älterer Mann, nehme ich an", sagte Holmes. "Ungefähr sechzig, aber seine Konstitution ist durch das Leben im Ausland zerrüttet, und schon seit einiger Zeit ist er nicht mehr recht gesund. Die Ereignisse haben ihn sehr mitgenommen. Er war ein alter Freund von McCarthy und, wie ich hinzufügen möchte, sein Wohltäter. Ich habe erfahren, daß er ihm die Hatherley -Farm pachtfrei überlassen hatte."

"Aha! Das ist interessant", sagte Holmes. "Ja! Und auf hunderterlei andere Art hat er ihm geholfen. Jeder hier spricht von der Freundlichkeit, die er ihm erwiesen hat."

"Wirklich! Kommt es Ihnen nicht ein wenig sonderbar vor, daß dieser Mr. McCarthy, der wenig zu besitzen schien und Turner so sehr verpflichtet gewesen sein soll, auch noch von der Verehelichung seines Sohnes mit Turners Tochter redete, der voraussichtlichen Erbin des Besitztums, und das in einer so sicheren Manier, als wäre es ein gewöhnlicher Heiratsantrag und alles andere folge von selbst? Noch seltsamer wird das, seit wir wissen, daß Turner der Idee entgegenstand. Das hat uns die Tochter mitgeteilt. Leiten Sie. aus alledem nichts ab?"

"Wir sind bei den Schlüssen und Folgerungen angelangt", sagte Lestrade, mir zuzwinkernd. "Ich finde es schwer genug, mit den Fakten fertig zu werden, Holmes, ohne Theorien und Phantasien hinterherzufliegen."

"Sie sind mir der Richtige", sagte Holmes pikiert, "Sie finden es schwer, mit den Fakten fertig zu werden."

"Immerhin habe ich ein Faktum begriffen, das anscheinend nicht in Ihren Kopf will", entgegnete Lestrade leicht hitzig. "Und das wäre?"

"Daß McCarthy senior durch McCarthy junior zu Tode gekommen ist und daß alle gegenteiligen Theorien der reinste Mondschein sind."

"Nun, Mondschein ist ein heller Ding denn Nebel", sagte Holmes lachend. "Aber ich müßte mich sehr irren, wenn das hier links nicht die Hatherley -Farm ist."

"Ja, das ist sie." Es war ein geräumiges, behaglich wirkendes Gebäude, zweistöckig, schiefergedeckt, an dessen grauen Wänden große Flecken gelber Flechten wucherten. Die zugezogenen Vorhänge und die rauchlosen Kamine ließen es jedoch aussehen, als laste das Entsetzen schwer auf ihm. Wir klopften, und das Dienstmädchen zeigte uns auf Holmes' Verlangen die Stiefel, die ihr Herr zur Zeit seines Todes getragen hatte, ebenso die des Sohnes, wenn auch nicht das Paar, das er an dem Tage trug. Nachdem er an ihnen sehr sorgfältig sieben oder acht verschiedene Messungen vorgenommen hatte, bat Holmes, auf den Hof geführt zu werden, von wo aus wir dem gewundenen Pfad zum Weiher von Boscombe folgten. Holmes war wie verwandelt, wenn er sich wie jetzt auf einer frischen Fährte befand. Leute, die nur den ruhigen Denker und Logiker aus der Baker Street vor Augen haben, hätten ihn nicht wiedererkannt. Sein Gesicht war gerötet und dunkler. Seine Brauen waren zu deutlich markierten schwarzen Strichen zusammengezogen, die Augen leuchteten unter ihnen mit stählernem Glanz hervor. Das Gesicht hielt er nach unten gerichtet, der Rücken war gewölbt, der Mund zusammengepreßt und die Adern standen an seinem langen sehnigen Hals wie Peitschenschnüre heraus. Seine Nasenflügel schienen in rein tierischer Jagdlust zu beben und sein Geist war so ausschließlich auf das vor ihm Liegende gerichtet, daß eine Frage oder Bemerkung unbeachtet in seine Ohren drang oder höchstens ein rasches ungeduldiges Knurren als Antwort hervorlockte. Schnell und schweigsam verfolgte er die Fährte, die durch Wiesen verlief und sich im Wald fortsetzte. Es war feuchter, sumpfiger Boden, wie überall in der Gegend, und da gab es Abdrücke von vielen Füßen, sowohl auf dem Pfad wie auf dem kurzen Gras zu beiden Seiten. Bald eilte Holmes voran, bald stand er starr und einmal machte er einen kleinen dejour über die Wiese. Lestrade und ich schritten hinter ihm her, der Detektiv gleichgültig und hochmütig, während ich meinen Freund mit einem Interesse beobachtete, das der Überzeugung entsprang, jede seiner Unternehmungen sei auf einen bestimmten Zweck gerichtet. Der Weiher von Boscombe ist eine kleine, schilfgesäumte, etwa fünfzig Yard breite Wasserfläche an der Grenze zwischen der Hatherley -Farm und dem Gutspark des Mr. Turner. Über den Bäumen am jenseitigen Ufer, dort, wo das Anwesen des reichen Gutsbesitzers lag, sahen wir die roten Turmspitzen ragen. Auf der Seite des Weihers nach Hatherley zu stand der Wald sehr dicht, und zwischen ihm und dem Röhricht zog sich nur ein schmaler, zwanzig Schritt breiter Gürtel faulenden Grases, das den Teich säumte. Lestrade zeigte uns die Stelle, wo man die Leiche gefunden hatte. Der Boden war hier so naß, daß ich deutlich die Spuren sehen konnte, die der Fall des getroffenen Mannes hinterlassen hatte. Holmes, das erkannte ich an seinem eifrigen Gesicht und den spähenden Augen, las noch vieles andere aus dem zertrampelten Gras. Er lief im Kreis wie ein Hund, der Witterung nimmt, und dann wandte er sich an meinen Begleiter. "Weshalb sind Sie in den Teich gegangen?" fragte er. "Ich habe mit einem Rechen darin herumgefischt. Ich dachte eine Waffe zu finden oder eine andere Spur. Aber wie, zum Teufel.. ?"

"Ach, blah, blah! Ich habe keine Zeit. Dieser Abdruck eines linken Fußes mit seiner Einwärtsdrehung stammt doch von Ihnen; er ist hier überall zu sehen. Ein Maulwurf könnte die Spur verfolgen, und da drüben verschwindet sie im Schilf. Ach, wie einfach wäre alles gewesen, hätte ich hier sein können, ehe sie kamen und wie eine Büffelherde alles niederwalzten. Hier sieht man, wo der Aufseher mit seinen Leuten gegangen ist, sie haben alle Spuren sechs oder acht Fuß im Umkreis der Leiche überdeckt. Aber hier sind drei andere Fußspuren."

Er zückte ein Vergrößerungsglas und legte sich auf seinen Wettermantel, um bessere Sicht zu haben; dabei redete er die ganze Zeit über eher zu sich als zu uns.

"Das sind die Füße des Jungen McCarthy, zweimal ist er gegangen und einmal schnell gelaufen, so daß die Sohlen tiefe Eindrücke hinterlassen haben, während die der Absätze kaum zu erkennen sind. Das stützt seine Geschichte. Er ist gerannt, als er seinen Vater am Boden liegen sah. Dann sind da die Füße des Vaters; er ist auf und ab gegangen. Aber was ist denn das? Hier hat sich der Kolben des Gewehrs abgedrückt, als der Sohn wartete und lauschte. Und das da? Haha! Was haben wir denn da! Überall Abdrücke von Zehenspitzen! Plumpe dazu, ganz ungewöhnliche Stiefel! Sie kommen, sie gehen, sie kommen wieder - sicherlich galt das dem Mantel. Aber von wo sind sie gekommen?"

Er lief hin und her, verlor manchmal die Spur, manchmal fand er sie, bis wir schließlich alle am Waldrand standen, im Schatten einer großen Buche, des größten Baums in der Umgebung. Holmes folgte weiter seinem Weg auf die andere Seite des Baums und warf sich mit einem leisen Schrei der Befriedigung noch einmal zu Boden. Lange blieb er liegen, wandte Blätter und trockene Äste um, sammelte etwas in ein Kuvert, das mir Staub zu sein schien, und untersuchte mit seiner Lupe nicht nur den Boden, sondern sogar die Baumrinde, so weit er hinaufreichen konnte. Ein gezackter Stein lag im Moos, und auch den untersuchte er und nahm ihn an sich. Dann folgte er dem Pfad durch den Wald, bis er auf die Landstraße stieß, wo sich alle Spuren verloren.

"Das ist ein hochinteressanter Fall", bemerkte er, zu seiner natürlichen Art zurückkehrend. "Ich nehme an, das graue Haus da rechts muß das des Aufsehers sein. Ich denke, ich werde hingehen und ein Wort mit Moran reden und vielleicht einige Zeilen schreiben. Wenn das getan ist, können wir zurückfahren, um richtig zu frühstücken. Gehen Sie schon zur Kutsche, ich werde gleich zu Ihnen stoßen." Das war ungefähr zehn Minuten, bevor wir wieder in den Wagen stiegen und nach Ross zurückfuhren. Holmes trug noch den Stein bei sich, den er im Wald aufgehoben hatte.

"Vielleicht interessiert Sie das, Lestrade", bemerkte er und hielt ihm den Stein hin. "Der Mord wurde hiermit ausgeführt."

"Ich sehe keinen Hinweis an ihm."

"Es ist auch keiner zu sehen."

"Wie können Sie es dann wissen?"

"Unter ihm wuchs Gras. Er hat nur wenige Tage so gelegen. Da gibt es keine Stelle, von der er weggenommen worden sein könnte. Er paßt zu den Verletzungen. Es gibt keinen Hinweis auf eine andere Waffe." "Und der Mörder?"

"Ist ein großer Mann, Linkshänder, hinkt auf dem rechten Bein, trägt dicksohlige Jagdstiefel und einen grauen Mantel, raucht indische Zigarren, benutzt eine Zigarrenspitze und trägt ein stumpfes Taschenmesser bei sich. Es gibt noch einige andere Indizien, aber diese mögen genügen, uns bei der Suche zu helfen." Lestrade lachte. "Ich befürchte, ich bin weiterhin skeptisch", sagte er. "Theorien sind schön und gut, aber wir haben es mit einem dickköpfigen britischen Gericht zu tun."

"Nous verrons", antwortete Holmes ruhig. "Sie arbeiten nach Ihrer Methode und ich nach der meinen. Ich werde heute nachmittag einiges erledigen und dann wahrscheinlich mit dem Abendzug nach London zurückfahren."

"Und Ihren Fall unbeendet lassen?"

"Nein, beendet."

"Aber das Rätsel?"

"Es ist gelöst."

"Wer war denn der Verbrecher?"

"Der Herr, den ich beschrieben habe."

"Aber wer ist es?"

"Das herauszufinden, wird gewiß nicht schwierig sein. Die Gegend ist nicht sehr bevölkert." Lestrade zuckte die Schultern. "Ich bin ein beschäftigter Mann", sagte er, "und kann es mir wirklich nicht erlauben, umherzuwandern und nach einem linkshändigen Herrn mit einem lahmen Bein Ausschau zu halten. Ich würde zur Zielscheibe des Spotts in Scotland Yard."

"In Ordnung", sagte Holmes gelassen. "Ich habe Ihnen eine Chance gegeben. Hier ist Ihr Quartier. Auf Wiedersehen. Ich werde ein paar Zeilen hinterlassen, wenn ich abreise." Nachdem wir uns von Lestrade verabschiedet hatten, fuhren wir in unser Hotel, wo der Lunch aufgetragen war. Holmes saß still und in Gedanken vertieft da, mit dem gequälten Ausdruck dessen, der sich in einer verwirrenden Lage befindet. "Kommen Sie, Watson", sagte er, als der Tisch abgeräumt war, setzen Sie sich hier in den Sessel und ertragen Sie ein wenig meine Predigt. Ich weiß nicht genau, was zu tun ist und Ihr Rat wäre mir sehr willkommen. Zünden Sie sich eine Zigarre an und lassen Sie sich einiges erklären." "Ich bitte darum."

"Nun, wenn wir den Fall erörtern, stoßen wir auf zwei Stellen in der Erzählung des jungen McCarthy, die uns beide sofort betroffen gemacht haben, wenn sie mich auch für ihn und Sie gegen ihn einnahmen. Eine betrifft die Tatsache, daß sein Vater, folgt man seiner Darstellung, ›Cooee‹ geschrien haben soll, bevor er ihn sah. Die andere ist die sonderbare Bemerkung seines Vaters über eine Ratte, bevor er starb. Er hat einige Wörter gemurmelt, aber dieses war das einzige, was der Sohn auffing. Von diesen beiden Punkten muß unsere Recherche ausgehen und wir beginnen damit, daß wir annehmen, der junge Bursche hat absolut die Wahrheit gesagt." "Was soll denn dieses ›Cooee‹ bedeuten?"

"Nun, offensichtlich konnte es nicht dem Sohn gegolten haben. Der Sohn war in Bristol, soviel der Vater wußte. Es war der reine Zufall, daß er sich in Hörweite befand. Das ›Cooee‹ sollte die Aufmerksamkeit dessen erregen, mit dem er die Verabredung hatte. Aber ›Cooee‹ ist ein typisch australischer Ruf, einer, der zwischen Australiern ausgetauscht wird. Also ist stark anzunehmen, daß die Person, die McCarthy am Teich von Boscombe erwartete, jemand war, der sich in Australien aufgehalten hat."

"Und was bedeutet die Bemerkung über eine Ratte?" Sherlock Holmes nahm ein zusammengefaltetes Stück Papier aus der Tasche und strich es auf dem Tisch glatt. "Das ist eine Karte der Kolonie Victoria. Ich habe sie gestern abend telegraphisch in Bristol bestellt." Er bedeckte einen Teil der Karte mit der Hand.

"Was lesen Sie da?" fragte er. "ARAT", las ich. "Und jetzt?" Er hob die Hand. "BALLARAT."

"Ganz recht. Das war das Wort, das der Mann murmelte und von dem sein Sohn nur die letzte Silbe verstand. Er versuchte, den Namen seines Mörders zu nennen. Der oder jener aus Ballarat."

"Das ist herrlich!" rief ich aus. "Das ist offensichtlich. Damit, sehen Sie, habe ich das Feld beträchtlich eingeengt. Der Besitz eines grauen Mantels war der dritte sichere Punkt, wenn man die Aussage des Sohns als richtig annimmt. Jetzt sind wir von der reinen Vermutung zu der Gewißheit über einen Australier aus Ballarat mit einem grauen Mantel gekommen."

"Ja."

"Und dazu ist es jemand, der in diesem Distrikt zu Hause ist. Denn dem Weiher kann man sich nur von der Farm oder vom Gut her nähern, wo Fremde kaum wandern könnten."

"Ganz recht."

"Nun zu unserem heutigen Ausflug. Beim Untersuchen des Bodens stieß ich auf geringfügige Einzelheiten, die ich diesem törichten Lestrade mitteilte; sie deuten auf die Persönlichkeit des Verbrechers hin."

"Wie sind Sie denn darauf gestoßen?" "Sie kennen meine Methode. Sie gründet sich auf die Beachtung von Geringfügigkeiten."

"Seine Größe, das weiß ich, schätzen Sie ungefähr nach der Länge seiner Schritte. Auf die Beschaffenheit der Stiefel kann aus den Abdrücken geschlossen werden."

"Ja, es waren besondere Stiefel."

"Aber sein Hinken?"

"Der Abdruck seines rechten Fußes war immer weniger deutlich als der des linken. Er belastet ihn weniger. Und warum? Weil er hinkt - er ist lahm."

"Aber seine Linkshändigkeit?"

"Sie waren doch selber erstaunt über die Beschaffenheit der Verletzung, wie sie der Chirurg bei der Voruntersuchung beschrieben hat. Der Schlag wurde geradewegs von hinten geführt und landete doch auf der linken Seite. Wie kann das geschehen, wenn nicht von einem Linkshänder? Er hat während der Unterhaltung zwischen Vater und Sohn hinter jenem Baum gestanden. Er hat da sogar geraucht. Ich fand die Asche einer Zigarre, die ich durch meine besondere Kenntnis von Tabakaschen als indische Zigarre bezeichnen kann. Ich habe, wie Sie wissen, dieser Frage einige Aufmerksamkeit gewidmet und eine kleine Monographie über die Aschen von einhundertvierzig verschiedenen Sorten Pfeifen-, Zigarren- und Zigarettentabak geschrieben. Als ich auf die Asche gestoßen war, sah ich mich um und entdeckte den Stummel im Moos. Es war eine indische Zigarre der Sorte, die in Rotterdam hergestellt wird."

"Und die Zigarrenspitze?"

"Ich konnte feststellen, daß das Ende nicht im Mund gewesen ist. Deshalb muß er eine Spitze benutzt haben. Das Ende war abgeschnitten worden, nicht abgebissen, aber der Schnitt war nicht sauber, so schloß ich auf ein stumpfes Taschenmesser."

"Holmes", sagte ich, "Sie haben ein Netz um diesen Mann geworfen, aus dem er nicht entfliehen kann und Sie haben einem unschuldigen Menschen das Leben gerettet, gerade so, als hätten Sie das Seil, an dem er schon hing, durchschnitten. Ich sehe die Richtung, in die das alles weist. Der Verbrecher ist.. ."

"Mr. John Turner", rief der Hotelkellner, öffnete die Tür unseres Wohnzimmers und ließ den Besucher ein. Er war eine seltsame und beeindruckende Figur. Sein langsamer, humpelnder Gang und sein gebeugter Rücken vermittelten den Eindruck von Altersschwäche, und doch zeigten seine harten, tiefgefurchten, knochigen Züge und seine ungeheuren Gliedmaßen an, daß sein Körper wie sein Charakter außergewöhnlich stark war. Ein struppiger Bart, graues Haar und buschige, über die Augen hängende Brauen gaben der Erscheinung den Ausdruck von Würde und Kraft; aber sein Gesicht war aschfahl, während seine Lippen und die Ecken seiner Nasenflügel einen Anflug von Blau aufwiesen. Es war mir auf den ersten Blick klar, daß ihn ein tödliches chronisches Leiden gepackt hatte. "Bitte, nehmen Sie auf dem Sofa Platz", sagte Holmes freundlich. "Haben Sie meine Nachricht bekommen?"

"Ja, der Aufseher brachte sie. Sie schrieben, Sie möchten mich hier treffen, um einen Skandal zu vermeiden."

"Ich dachte an das Gerede der Leute, wenn ich zu Ihnen käme." "Und weshalb möchten Sie mich sprechen?" Er blickte meinen Gefährten an mit Verzweiflung in den müden Augen, so als wäre seine Frage schon beantwortet.

"Ja", sagte Holmes, eher den Blick als die Worte quittierend. "Es ist so. Ich weiß alles über McCarthy." Der alte Mann vergrub das Gesicht in den Händen. "Gott helfe mir", rief er. "Aber ich hätte den jungen Mann nicht zu Schaden kommen lassen. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich gesprochen hätte, wenn der Prozeß zu seinen Ungunsten verlaufen wäre."

"Das freut mich zu hören", sagte Holmes ernst.

"Ich hätte auch gesprochen, wenn es nicht um mein geliebtes Kind gegangen wäre. Es würde ihr das Herz brechen - es wird ihr das Herz brechen, wenn sie erfährt, daß ich verhaftet bin." "Vielleicht kommt es nicht dazu", sagte Holmes. "Wie!"

"Ich bin nicht von der Polizei. Es war Ihre Tochter, die meine Anwesenheit verlangt hat und ich handle in ihrem Auftrag. Der junge Mann muß auf jeden Fall entlastet werden."

"Ich bin todkrank", sagte der alte Turner. "Ich habe seit Jahren Diabetes. Mein Arzt sagt, es sei fraglich, ob ich noch einen Monat lebe. Dennoch würde ich lieber unter meinem eigenen Dach sterben als in einem Gefängnis." Holmes erhob sich und setzte sich an den Tisch, die Feder in der Hand und einen Stoß Papier vor sich. "Erzählen Sie uns nur die Wahrheit", sagte er. "Ich werde die Tatsachen festhalten. Sie unterschreiben, und Watson wird Zeuge sein. Dann könnte ich Ihr Geständnis als letzte Möglichkeit präsentieren, den jungen Mann zu retten. Ich verspreche Ihnen, daß ich es nicht benutzen werde, wenn es nicht absolut nötig ist."

"Mir soll es recht sein", sagte der alte Mann, "es ist ohnehin fraglich, ob ich die Verhandlung erleben werde, also macht es mir wenig aus, nur möchte ich Alice den Schock ersparen. Jetzt werde ich die Sache vor Ihnen klarlegen; sie hat sich über eine lange Zeit entwickelt, aber es wird mich nicht viel Zeit kosten, sie Ihnen zu erzählen. Sie kannten den Toten nicht, diesen McCarthy. Er war der leibhaftige Teufel. Das kann ich Ihnen versichern. Gott möge Sie vor den Klauen eines solchen Mannes bewahren. Zwanzig Jahre lang war ich in seiner Hand, er hat mein Leben zerstört. Ich will Ihnen zunächst erzählen, wie ich in seine Gewalt kam. Es war in den frühen Sechzigern in den Goldminen. Ich war ein junger Bursche, heißblütig und rücksichtslos, bereit, alles anzupacken, was sich mir bot; ich geriet in schlechte Gesellschaft, fing zu trinken an, hatte kein Glück in meinem Claim, zog mich in den Busch zurück und wurde, mit einem Wort, was man hierzulande einen Straßenräuber nennt. Wir waren unser sechs und führten ein wildes freies Leben, überfielen von Zeit zu Zeit eine Station oder stoppten die Wagen auf der Straße zu den Goldfeldern. Den schwarzen Jack von Ballarat nannte man mich und in der Kolonie erinnert man sich an uns noch als an die Ballarat-Gang.

Eines Tages ging ein Goldtransport von Ballarat nach Melbourne und wir lagen auf der Lauer und griffen ihn an. Sechs Bewacher standen gegen sechs von uns, also eine ausgeglichene Angelegenheit; aber wir putzten mit der ersten Salve vier aus den Sätteln. Drei von unseren Jungs wurden dennoch getötet, ehe wir an die Beute kamen. Ich setzte dem Kutscher die Pistole an den Kopf und der war kein anderer als McCarthy. Ich wünsche bei Gott, ich hätte ihn damals erschossen, doch ich schonte ihn, obwohl ich sah, wie seine hinterhältigen kleinen Augen auf mein Gesicht gerichtet waren, als wollten sie sich jeden Zug einprägen. Wir machten uns mit dem Gold davon, wurden reiche Männer und gingen nach England zurück, ohne daß man uns verdächtigte. Ich trennte mich von meinen alten Kumpanen und beschloß, ein ruhiges und geachtetes Leben zu führen. Ich kaufte diese Besitzung, die zufällig angeboten wurde, ich ließ mich nieder, um ein wenig Gutes mit dem Geld zu tun und dadurch die Art und Weise, wie ich es erworben hatte, wettzumachen. Ich heiratete auch, und obwohl meine Frau jung starb, blieb mir von ihr doch meine liebe kleine Alice. Schon als kleines Kind schien sie mich an ihrer winzigen Hand den rechten Weg zu führen, so wie ich nie geführt worden bin. Mit einem Wort: Ich schlug eine neue Seite auf und tat mein Bestes, die Vergangenheit wettzumachen. Alles ging gut, bis McCarthy mich in den Griff bekam. Ich war wegen einer Investition in der Stadt, und ich traf ihn in der Regent Street, kaum daß er einen Mantel auf dem Leibe und Schuhe an den Füßen trug. ›Da sind wir, Jack‹, sagte er und berührte mich am Arm, ›wir werden von jetzt an eine Art Familie sein. Wir sind zwei, ich und mein Sohn, und du kannst für uns sorgen. Wenn nicht - dieses England ist ein schönes, gesetzestreues Land, und an jeder Ecke steht ein Polizist." Nun, sie ließen sich im Westteil des Landes nieder, da gab es kein Abschütteln und sie lebten seitdem pachtfrei auf meinem besten Land. Ich fand keine Ruhe, keinen Frieden, kein Vergessen. Ich konnte mich drehen, wie ich wollte, überall war sein hinterhältiges grinsendes Gesicht. Es wurde schlimmer, als Alice heranwuchs, denn er hatte bald bemerkt, daß ich mich mehr davor fürchtete, sie könnte meine Vergangenheit erfahren, als vor der Polizei. Was immer er wollte, ich mußte ihm geben, ohne zu fragen, Land, Geld, Häuser, bis er schließlich etwas verlangte, das ich nicht hergeben konnte. Er wollte Alice. Sein Sohn war erwachsen geworden, genau wie meine Tochter, und da bekannt war, daß ich eine schwache Gesundheit hatte, erschien es ihm als ein glänzender Streich, wenn sein Bursche in den ganzen Besitz einsteigen würde. Aber hier blieb ich fest. Ich wollte es nicht dulden, daß seine verfluchte Nachkommenschaft sich mit der meinen mischte. Nicht, daß ich eine Abneigung gegen den jungen Burschen gehegt hätte, aber sein Blut floß in ihm, und das war mir genug. Ich blieb fest. McCarthy drohte. Ich forderte ihn heraus, das Übelste zu tun. Wir wollten uns am Weiher treffen, auf halbem Weg zwischen unseren Häusern, um alles zu besprechen. Als ich kam, sah ich, wie er mit seinem Sohn redete; also rauchte ich eine Zigarre und wartete hinter einem Baum, bis er allein wäre. Aber während ich dem Gespräch lauschte, bekam all das Schwarze und Bittere in mir die Oberhand. Er drängte seinen Sohn, meine Tochter zu heiraten, ohne danach zu fragen, wie sie darüber denkt, so als wäre sie eine Schlampe von der Straße. Der Gedanke, daß ich mich mit allem, was mir sehr teuer, war, in der Gewalt eines solchen Mannes befand, trieb mich zum Wahnsinn. Konnte ich die Fessel nicht sprengen? Ich bin ein sterbender, verzweifelter Mann. Obwohl ich noch klar denken kann und körperlich auch noch stark bin, weiß ich, mein Schicksal ist besiegelt. Aber mein Ruf und mein Kind! Beides konnte gerettet werden, wenn es mir gelang, die böse Zunge zum Schweigen zu bringen. Ich tat es, Mr. Holmes. Ich würde es wieder tun. So schwer ich auch gesündigt habe, ich habe mit dem Leben eines Märtyrers dafür gesühnt. Daß mein Mädchen in denselben Maschen verstrickt werden sollte, in denen ich hing, war mehr, als ich aushalten konnte. Ich streckte ihn nieder ohne Gewissensbisse, als handelte es sich um eine böse und schädliche Bestie. Sein Schrei brachte den Sohn zurück, aber ich hatte schon wieder im Wald Deckung gefunden, obgleich ich noch einmal zurückgehen mußte, um den Mantel zu holen, den ich auf der Flucht verloren hatte. Das, meine Herren, ist der wahre Hergang." "Es steht mir nicht an, Sie zu richten", sagte Holmes, als der Alte das Protokoll unterschrieb. "Ich bete darum, daß wir nie einer solchen Versuchung ausgesetzt sein mögen." "Ich bete nicht, Sir. Und was werden Sie jetzt tun?" "In Anbetracht Ihrer Gesundheit - nichts. Sie sind sich selber im klaren darüber, daß Sie sich für Ihre Tat bald vor einer höheren Instanz als vor einem Gericht verantworten müssen. Ich behalte Ihr Geständnis und falls man McCarthy schuldig befindet, werde ich genötigt sein, Gebrauch davon zu machen. Wenn nicht, wird nie das Auge eines Sterblichen es erblicken. Ihr Geheimnis, gleich ob Sie leben oder tot sein werden, ist bei uns sicher aufgehoben."

"So leben Sie denn wohl", sagte der alte Mann feierlich. "Ihre Sterbelager, wenn es einmal soweit ist, werden für Sie leichter sein bei dem Gedanken an den Frieden, den Sie dem meinen gegeben haben." Seine riesige Gestalt schwankte und bebte, als er sich langsam aus dem Zimmer entfernte. "Gott möge uns beistehen", sagte Holmes nach einem langen Schweigen. "Warum spielt das Schicksal so mit der armen, hilflosen Kreatur? Immer, wenn ich von einem Fall wie diesem höre, denke ich an Baxters Worte und sage mit ihm: ›Dort geht Sherlock Holmes dahin, wenn nicht Gottes Gnade gewesen wäre ‹".

James McCarthy wurde unterm Gewicht einer Reihe von Einwänden, die Sherlock Holmes vorbrachte, freigesprochen. Der alte Turner lebte nach unserem Gespräch noch sieben Monate. Jetzt ist er tot und es besteht alle Aussicht, daß der Sohn und die Tochter miteinander glücklich sein werden, da sie von der schwarzen Wolke, die ihre Vergangenheit überschattet, nichts wissen.

 

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